Dienstag, 9. Mai 2017

Wie auch Fleischesser (unbewusst) Soja essen


Soja ist nur was für Vegetarier und Veganer? Weit gefehlt, denn auch als Fleischesser essen Sie mehr Soja, als Sie denken.



Die meisten Menschen wissen, dass Soja in allerlei typischen vegetarischen oder veganen Produkten verwendet wird: Tofu, Sojamilch, Fleischersatz und Ähnliches. Aber man braucht kein Vegetarier zu sein, um Soja zu essen. Soja als billige Zutat erscheint in allerlei Formen in unserer alltäglichen Nahrung. Auch - kurioserweise - in Fleisch.

Fleisch mit Soja

Eine Hähnchenbrust aus dem Supermarkt hat eine besondere Eigenschaft: Sie schrumpft auf ein Minimum beim Braten zusammen. Oder muss man sagen beim »Kochen«? Denn während der Zubereitung kommt regelmäßig eine große Menge Flüssigkeit in der Pfanne frei. Das ist schon ganz schön eigenartig, denn Fleisch hat von Natur aus eigentlich die Neigung zum Austrocknen. Das Phänomen ist jedoch nicht mehr so seltsam, wenn man weiß, woher das kommt: In fleischverarbeitenden Betrieben wird den Fleischprodukten regelmäßig Wasser zugesetzt, um so ein höheres Gewicht auf dem Etikett deklarieren zu können. Mehr Gewicht bedeutet natürlich mehr Gewinn.

Mit Soja mehr Wasser ins Fleisch bringen

Unverarbeitetes Fleisch absorbiert allerdings kein Wasser. Dafür benötigen die Fleischfabrikanten Ballaststoffe oder Mehl, die die Feuchtigkeit speichern. Wenn man zubereitete Produkte wie Wurst, Pastete und Frikadellen kauft, kann man davon ausgehen, dass ihnen wahrscheinlich »Fleischvermehrer« zugesetzt wurden. Manche dieser Zusätze werden aus Weizen hergestellt, andere aus Kartoffeln und wieder andere aus Soja. Der Prozess, um Sojaeiweiß als Fleischzusatz zu verwenden, ist durch die vielen chemischen Beigaben, die dafür nötig sind, umstritten, aber allgemein verbreitet.

Fleisch darf mehr als 30 Prozent Soja enthalten

Laut der »Food and Agriculture Organization« der Vereinten Nationen kann das Fleisch in Produkten wie Wurst, Soßen, Frikadellen und Fertigmahlzeiten durch mehr als 30 Prozent Sojaeiweiß ersetzt werden. Aber Mischungen, die Sojaeiweiß enthalten, können seit Kurzem auch in ganze Fleischstücke injiziert werden. Ein bequeme Art, die Erlöse zu maximieren, denn Sojaeiweiß ist nun mal viel billiger als Fleisch: Der Gewinn für die Lebensmittelproduzenten lässt sich leicht ausrechnen.

Surimi, Gebäck, Brot: Soja inklusive

Surimi - oder auch Garnelen-Imitat - ist eine Mischung aus vielfach gewaschenem Fischfleisch mit zugefügten Farb- und Aromastoffen. Um die gallertartige Textur zu erhalten, braucht man etwas Bindendes: Das ist regelmäßig Sojaeiweiß.

Manche Sorten Gebäck enthalten Sojaeiweiß, Sojamehl oder eine Kombination von beidem als Milchersatz. Auch in bestimmten Nudelsorten und manchen Qualitätsbroten tauchen die Eiweiße regelmäßig auf. »Der hohe Gehalt an Proteinen und der neutrale Geschmack« ist für die Industrie ein bemerkenswerter Vorteil in derartigen Produkten. Brot schrumpft nicht und Kuchen bleiben länger saftig.

Früchte-Shakes mit Soja

Trinken Sie ab und zu vorgefertigte Shakes? Die Chance ist sehr real, dass die nicht mit frischem Obst hergestellt sind, sondern mit einem getrockneten Püree dieser Früchte und dieser Trockenvorgang funktioniert besonders gut, wenn Sojaeiweiß hinzugefügt wird. Solche Shakes können laut der »Food and Agriculture Organization« etwa 20 Prozent Sojaeiweiß enthalten. Eine Eigenschaft von Sojaeiweiß ist auch, dass es Schaum stabilisiert. Darum eignet es sich auch für die Herstellung von Süßigkeiten und Desserts. Auch Öl lässt sich aus Sojabohnen pressen. Das ist wiederum ein kostengünstiges Produkt und daher findet man Soja auch in diversen frittierten Snacks, Mayonnaisen, Margarinen oder Sahneeis.

Die Folgen des Soja-Booms

Die Nachfrage nach Soja steigt noch immer an und das geht zulasten des Urwalds. Wegen der Gier nach Agrarflächen müssen nämlich immer mehr Hektar Wald weichen. Auch die Frage, ob Soja wohl tatsächlich so gesund ist - vor allem, wenn es in solch großen Mengen konsumiert wird - muss gestellt werden. Forschungen in dieser Richtung kamen in Gang, als Richard James Ende des vorigen Jahrhunderts begann, Papageien mit Sojabohnen zu füttern. Die wurden damals in den Vereinigten Staaten als neue Wundernahrung promotet, aber leider läutete die Ernährungsumstellung eine katastrophale Periode ein. Viele Vögel wurden unfruchtbar oder starben und junge Vogelmännchen kamen viel zu früh in die Pubertät. Der Wissenschaftler Mike Fitzpatrick beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. »Wir wussten, dass etwas den Hormonhaushalt durcheinanderbrachte, aber wir hatten schon alle Chemikalien wie eventuell verwendete Pestizide ausgeschlossen.«

Soja enthält pflanzliche Östrogene

Während seiner Forschungen entdeckte er, dass man bereits in den 80-er Jahren wusste, dass Soja von Natur aus pflanzliche Östrogene, sogenannte Phytoöstrogene, enthält und dass diese Stoffe Veränderungen im Körper verursachen können. Beunruhigt über die Wirkung von Sojamilch auf kleine Kinder, berechnete er, wie viel Östrogen sie aufnahmen, wenn sie nur Sojamilch zu trinken bekamen: Basierend auf ihrem Körpergewicht entsprach das einer Menge von fünf Antibabypillen pro Tag.

Gesund oder nicht gesund?

Etwa 20 Jahre später ist der Streit immer noch nicht beigelegt, denn einige beharren hartnäckig darauf, dass Soja gerade gesund ist: In Asien tritt tatsächlich seltener Brustkrebs auf. Aber, sagen die Kritiker, in diesen Ländern werden die meisten Sojaprodukte in fermentierter Form gegessen, während wir hier mehr rohe Verarbeitungen essen. Außerdem vermehrten sich bereits vorhandene Brustkrebszellen nicht durch eine Ernährung mit vielen Phytoöstrogenen. Für unanfechtbare Standpunkte muss noch auf wissenschaftliche Beweise gewartet werden, auch wenn der sehr häufige Konsum schon Fragen aufwirft. Fragen, die wohl für jeden wichtig sind, nicht nur für Vegetarier.

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