Sonntag, 21. Januar 2018

Tödliches Schlangengift kann Leben retten



Wer von einer in Australien beheimateten Östlichen Braunschlange gebissen wird, ist innerhalb einer Stunde tot. Aber ein Eiweiß dieses tödlichen Gifts kann sogar Leben retten.

Patienten, die gerinnungshemmende Medikamente einnehmen müssen, haben ein erhöhtes Risiko für Blutungen. Das gilt vor allem, wenn es sich dabei um Gerinnungshemmer der neuesten Generation handelt. Eine Komponente aus dem tödlichen Gift der Östlichen Braunschlange kann helfen, die Blutgerinnung wieder in Gang zu bringen.
Schlangengift hebt die Wirkung der Gerinnungshemmer auf
Das Gift einer der tödlichsten Schlangen der Welt wird zukünftig Menschenleben retten müssen. Forscher des medizinischen Zentrums der niederländischen Universität Leiden verwendeten das Gift der Östlichen Braunschlange als Inspiration für die Entwicklung eines neuen Arzneimittels, das die Wirkung von Blutgerinnungshemmern aufheben kann. Wenn Patienten, die solche Mittel schlucken, eine große Blutung bekommen oder akut operiert werden müssen, ist es manchmal schwierig, die Blutung zu stoppen. Das Gift der Östlichen oder Gewöhnlichen Braunschlange enthält Substanzen, die das Blut von Säugetieren sehr stark verklumpen lassen, sogar unter der Wirkung von gerinnungshemmenden Medikamenten.
Ähnlicher Gerinnungskomplex
Die Östliche Braunschlange (Pseudonaja textilis) lebt außer in Australien auch in Papua Neuguinea und Indonesien. Ihr Gift enthält unter anderem zwei Eiweiße, die miteinander verbunden, die Blutgerinnung fördern. Dieser Eiweißkomplex wirkt als Enzym, ein Molekül, das bestimmte Reaktionen beschleunigen kann. Es ähnelt stark dem Gerinnungskomplex bei Säugetieren und Menschen, aber ist nicht genau gleich. Die molekulare Struktur weicht nur geringfügig ab.
Der Gerinnungsfaktor Xa spielt eine zentrale Rolle in diesem komplexen Prozess der Blutgerinnung. Es ist der Ansatzpunkt einer neuen Generation von Blutgerinnungshemmern, die sogenannten direkten oralen Antikoagulanzien, kurz DOAK. Sie binden an den Faktor Xa und verhindern, dass das Blut gerinnt. So beugen sie beispielsweise einer Thrombose vor.
Angepasster Gerinnungsfaktor X
Die Schleife im Eiweiß des Schlangengiftes verarbeiteten die Wissenschaftler in einem Molekül des menschlichen Gerinnungsfaktors Xa. „Es gibt noch kein Mittel, das die Blockade des Faktors Xa wieder aufheben kann“, sagt Forschungsleiterin Mettine Bos von der Universität Leiden. „Das einzige was man tun kann ist, dem Patienten sehr viel Faktor X zu verabreichen, um das Medikament aus dem Blut zu filtern, oder zu warten, bis das Mittel aus dem Körper verschwunden ist.“
Laut Bos haben die Wissenschaftler zufällig entdeckt, dass die Schlangenvariante des Faktor Xa weitaus weniger gut gebunden wird von Gerinnungshemmern. Das Schlangenenzym besaß an einer bestimmten Stelle der Eiweißkette eine lange Schlinge, die den Bindungsrezeptor für den Gerinnungshemmer abschirmt. Eine gleichartige Schlinge verarbeiteten sie daraufhin in einem Molekül des menschlichen Faktors Xa. „Mit dieser kleinen Anpassung haben wir einen menschlichen Faktor X hergestellt, der ziemlich normal reagiert“, sagt Bos. „Der sorgt für Gerinnung, wenn es nötig ist, aber nicht so ungebändigt wie die Schlangenvariante.“
Wichtig bei Verletzungen und Operationen
Äußerst ausgeklügelt“, meint Gefäßspezialistin Saskia Middeldorp vom medizinischen Zentrum der Universität Amsterdam, die nicht an der Studie beteiligt war. „Sicher bei sehr ernsten Blutungen, zum Beispiel im Kopf, möchte man natürlich, dass die Blutgerinnung so schnell wie möglich wieder in Ordnung ist. Momentan geben wir dann eine hohe Dosis Gerinnungsfaktoren, oder ein spezifisches, noch experimentelles Gegenmittel, das aktuell bei blutenden Patienten erforscht wird. Für das Schlangengift-Xa ist die Anwendung bei Patienten noch weit weg.“
Geringe Dosierung erforderlich
Das Unternehmen VarmX, das vor einem Jahr von Professor Pieter Reitsma von der Universität Leiden gegründet wurde, entwickelt die Schlangenvariante weiter zum Arzneimittel. „Wir bereiten Tests an großen Tiermodellen vor“, sagt Bos. „Danach muss natürlich auch die Sicherheit beim Menschen getestet werden.“
Das Mittel soll bereits in niedriger Dosierung wirken, erwartet Bos: „Im Prinzip ist die Gerinnung wieder in Ordnung, wenn man genauso viel modifizierten Faktor X gibt als normalerweise im Körper vorhanden ist; dabei geht es um Milligramm.“

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