Donnerstag, 21. Februar 2019

Kalorie ist nicht gleich Kalorie


Kalorienzählen führt beim Abnehmen nicht unbedingt zum Erfolg. Wichtiger sind die Herkunft der Kalorien und die Wahl der Nahrungsmittel.

Einer der hartnäckigsten und schädlichsten Ernährungsmythen ist die Vorstellung, dass Kalorien das Wichtigste sind, worauf man bei der Ernährung achten sollte und dass die Herkunft der Kalorien keine Rolle spielt. „Eine Kalorie ist eine Kalorie, Ende und aus“, so heißt es. Egal, ob Sie nun 100 Kalorien aus Schokolade oder aus Brokkoli essen, die Wirkung auf das Gewicht bleibt gleich. Es stimmt, dass alle Kalorien die gleiche Menge an Energie darstellen. Eine Nahrungskalorie enthält 4.184 Joule an Energie. In dem Sinn ist eine Kalorie tatsächlich eine Kalorie. Aber wenn es darum geht, was im Körper passiert, ist die Sache komplizierter. Verschiedene Arten von Nahrung durchlaufen unterschiedliche biochemische Prozesse, die nicht alle gleich effizient sind, wodurch Energie (Kalorien) als Wärme verloren geht.
Noch wichtiger ist, dass unterschiedliche Lebensmittel und Makronährstoffe die Hormone und Hirnregionen stark beeinflussen, die Hunger, Sättigung und Essverhalten steuern. Die Nahrung, die Sie zu sich nehmen, kann vor allem die biologischen Prozesse verändern, die regeln, wann, was und wie viel Sie essen. Nachfolgend finden Sie sechs Beispiele, die zeigen, dass eine Kalorie nicht gleich Kalorie ist.
Fruktose gegen Glukose
Die beiden wichtigsten Einfachzucker in der Ernährung sind Fruktose und Glukose. Pro Gramm liefern diese beiden Zuckerarten die gleiche Menge an Kalorien. Aber die Art und Weise, wie der Körper sie verarbeitet, ist völlig anders. Glukose kann von allen Körperzellen umgewandelt werden, wohingegen Fruktose nur von der Leber in größerem Umfang umgewandelt werden kann. Hier einige Gründe, warum Kalorien aus Glukose und Fruktose nicht gleich sind:


  • Grhelin ist das Hungerhormon. Der Spiegel dieses Hormons steigt, wenn man Hunger hat und sinkt, nachdem man gegessen hat. Einige Studien zeigen, dass Fruktose für höhere Grhelin-Spiegel im Körper sorgt als Glukose – und somit auch für mehr Hunger. Fruktose stimuliert das Sättigungszentrum im Gehirn nicht auf dieselbe Weise wie Glukose, was dazu führt, dass man sich nicht so schnell satt fühlt.
  • Viel Fruktose kann – verglichen mit derselben Kalorienmenge aus Glukose – zu Insulinresistenz, Fettspeicherung am Bauch, erhöhten Triglyceriden, erhöhtem Blutzucker und kleinen, kompakten LDL-Cholesterinmolekülen führen.

Das zeigt, dass dieselbe Menge an Kalorien völlig andere Auswirkungen auf Hunger, Hormone und einen gesunden Stoffwechsel hat. Es ist viel zu einfach, um Nährstoffe nur anhand der Kalorienmenge, die sie liefern, einzuteilen. Man muss allerdings auch erwähnen, dass Fruktose nur dann negative Auswirkungen hat, wenn man zu viel davon isst. Zuckerzusätze und Süßigkeiten sind dafür die Hauptquellen in der Ernährung. Das sollte auch in keinem Fall dazu führen, weniger Obst zu essen. Obwohl Früchte Fruktose enthalten, sind sie reich an Ballaststoffen und Wasser und müssen gut gekaut werden, was die negativen Auswirkungen von Fruktose mildert.
Die thermische Wirkung von Nahrungsmitteln
Verschiedene Arten von Nahrungsmitteln durchlaufen unterschiedliche Stoffwechselprozesse. Dabei sind einige effizienter als andere. Je effizienter ein Stoffwechselprozess ist, desto mehr Energie aus der Nahrung wird für die Körperfunktionen genutzt und desto weniger Energie verliert man als Wärme. Die Verstoffwechselung von Eiweiß funktioniert weniger effektiv als für Kohlenhydrate und Fette. Eiweiß enthält vier Kalorien pro Gramm, wovon ein großer Teil als Wärme verloren geht, wenn die Proteine im Körper umgewandelt werden. Die thermische Wirkung von Nahrungsmitteln gibt an, wie unterschiedliche Nahrungsmittel den Energieverbrauch erhöhen, weil für die Verdauung, Aufnahme und Verbrennung der Nährstoffe selbst Energie benötigt wird. Das ist die thermische Wirkung der verschiedenen Makronährstoffe:

  • Fette: 2 bis 3 Prozent
  • Kohlenhydrate: 6 bis 8 Prozent
  • Eiweiß: 25 bis 30 Prozent

Die Quellen unterscheiden sich in Bezug auf die genauen Mengen, aber klar ist, dass Proteine viel mehr Energie benötigen, um verbrannt zu werden, als Fette und Kohlenhydrate. Wenn man von einem thermischen Effekt von 25 Prozent für Eiweiß und zwei Prozent für Fett ausgeht, würde das bedeuten, dass von 100 Kalorien an Eiweiß nur 75 Kalorien aufgenommen werden, während von 100 Kalorien an Fett 98 im Körper landen. Studien zeigen, dass eiweißreiche Diäten die Energieverbrennung um 80 bis 100 Kalorien pro Tag erhöhen, verglichen mit einer eiweißarmen Ernährung. Einfach ausgedrückt bedeutet das, dass eine eiweißreiche Diät einen Vorteil für den Stoffwechsel bedeutet.
Eiweiß bremst den Hunger und das Essverhalten
Die Protein-Geschichte hat aber noch mehr zu bieten. Eiweiß führt zu einer deutlichen Verringerung des Appetits, so dass man automatisch weniger Kalorien zu sich nimmt. Studien zeigen, dass Eiweiß mit Abstand der am meisten sättigende Makronährstoff ist. Wenn Sie mehr Eiweiß essen, beginnen Sie abzunehmen, ohne sich um Kalorien zu kümmern oder die Portionen zu überwachen. Der Fettabbau erfolgt mit Eiweiß automatisch. Eine Studie ergab, dass Menschen, die ihre Proteinzufuhr auf 30 Prozent der Gesamtkalorien erhöhten, automatisch durchschnittlich 441 Kalorien weniger pro Tag aßen und in drei Monaten 4,9 Kilogramm abnahmen.
Wenn Sie keine Diät machen, aber trotzdem Ihren Stoffwechsel optimal ankurbeln wollen, ist mehr Eiweiß essen der einfachste und leckerste Weg, um automatisch Gewicht zu verlieren. Es ist sehr deutlich, dass eine Kalorie aus Eiweiß in Bezug auf den Stoffwechsel und die Appetitkontrolle nicht gleichbedeutend ist mit einer Kalorie aus Fett oder Kohlenhydraten.
Der Sättigungsindex
Jede Art von Nahrung hat unterschiedlichen Einfluss auf das Sättigungsgefühl. Das bedeutet, dass manche Nahrungsmittel mehr Sättigungsgefühl geben als andere. Bei manchen Lebensmitteln neigen wir auch eher dazu, davon zu viel zu essen als bei anderen. Zum Beispiel ist es ganz einfach, eine Portion Eis mit 500 Kalorien zu essen. Wenn Sie die gleiche Menge an Kalorien aus Brokkoli oder Eiern essen wollen, wird Ihnen das bestimmt Schwierigkeiten bereiten. Das ist ein Beispiel dafür, wie viel Einfluss die Nahrungsauswahl auf die Gesamtzahl der Kalorien hat, die Sie schließlich essen. Viele Faktoren beeinflussen den Sättigungswert von Lebensmitteln. Dieser Wert wird auf einer Skala angezeigt, die als Sättigungsindex (engl. satiety index) bezeichnet wird. Der Sättigungsindex gibt an, wie stark Nahrungsmittel für mehrere Stunden den Hunger und damit die Kalorienaufnahme reduzieren und das Sättigungsgefühl erhöhen. Wenn Sie Nahrungsmittel mit einem niedrigen Sättigungsindex essen, werden Sie mehr Hunger verspüren und schließlich mehr essen. Wenn Sie sich für Lebensmittel mit einem hohen Sättigungsindex entscheiden, werden Sie letztendlich weniger essen und Gewicht verlieren. Beispiele für Lebensmittel mit hohem Sättigungsindex sind gekochte Kartoffeln, Rindfleisch, Eier, Hülsenfrüchte und Obst. Beispiele für Lebensmittel, die weniger lange sättigen, sind Kuchen und Gebäck. Natürlich macht es einen erheblichen Unterschied in der Energiebilanz, ob Sie sich für Nahrung entscheiden, die lange satt macht.
Kohlenhydratarme Ernährung senkt automatisch die Kalorienaufnahme
Seit 2002 haben mehr als 20 randomisierte kontrollierte Studien kohlenhydratarme und fettarme Diäten verglichen. Die Ergebnisse deuten konsequent darauf hin, dass Low-Carb zu mehr Gewichtsverlust führt als fettarme Diäten, oft sogar zwei- bis dreimal so viel. Einer der wichtigsten Gründe ist, dass eine kohlenhydratarme Ernährung zu einem drastischen Rückgang des Appetits führt. Man fängt ohne große Anstrengung an, weniger Kalorien zu essen. Studien haben ergeben, dass selbst bei gleicher Kalorienmenge Testpersonen in der Low-Carb-Gruppe meist mehr Gewicht verlieren, obwohl das Ergebnis nicht immer statistisch bedeutsam ist. Die Hauptursache dafür ist wohl, dass kohlenhydratarme Diäten auch den Körper entwässern. Ein Überschuss an Flüssigkeit verschwindet in der Regel in den ersten zwei Wochen aus dem Körper. Darüber hinaus enthalten kohlenhydratarme Diäten meist mehr Eiweiß als fettarme Diäten. Die Verbrennung von Eiweiß benötigt mehr Energie und der Körper verbraucht Energie für die Umwandlung von Eiweiß in Glukose.
Der glykämische Index
Es herrscht viel Uneinigkeit unter Ernährungswissenschaftlern, aber eines der wenigen Dinge, bei denen sich die meisten einig sind, ist, dass raffinierte Kohlenhydrate ungesund sind. Dazu gehören zugesetzte Zuckerarten wie Saccharose und Glukose-Fruktose-Sirup (HFCS, Maissirup) und raffinierte Getreideprodukte wie Weißbrot. Raffinierte Kohlenhydrate enthalten in der Regel wenig Ballaststoffe und werden schnell verdaut und aufgenommen, was den Blutzucker schnell in die Höhe treibt. Sie haben einen hohen glykämischen Index (GI), wobei der GI das Maß dafür ist, wie schnell ein Lebensmittel den Blutzuckerspiegel erhöht. Wenn Sie etwas essen, was den Blutzuckerspiegel schnell steigen lässt, führt das einige Stunden später oft zu einem drastischen Abfall des Blutzuckers. Wenn das passiert, bekommt man Heißhunger und ein enormes Verlangen nach einem weiteren kohlenhydratreichen Snack. Das wird auch als „Blutzucker-Achterbahn“ bezeichnet. In einer Studie erhielten die Teilnehmer identische Milchshakes, außer dass der eine einen hohen GI und der andere einen niedrigen GI hatte. Der Milchshake mit hohem GI verursachte mehr Hunger und Heißhunger als der Milchshake mit niedrigem GI. Eine andere Studie ergab, dass Teenager während einer Mahlzeit mit hohem glykämischen Index 81 Prozent mehr Kalorien aßen als während einer Mahlzeit mit niedrigem GI.
Die Geschwindigkeit, mit der Kalorien aus Kohlenhydraten in den Körper gelangen, kann daher eine dramatische Wirkung haben, da dies zu übermäßigem Essen und Gewichtszunahme führen kann. Wenn Sie kohlenhydratreich essen, ist es wichtig, um volle, unverarbeitete Kohlenhydratquellen mit vielen Ballaststoffen zu wählen. Die Ballaststoffe sorgen für eine langsamere Aufnahme der Glukose im Körper. Forschungen zeigen immer wieder an, dass Menschen, die am häufigsten Lebensmittel mit hohem glykämischen Index essen, das höchste Risiko für Fettleibigkeit und Diabetes haben. Das liegt eben daran, dass nicht alle Kalorien aus Kohlenhydraten im Körper auf dieselbe Weise verarbeitet werden.
Das Fazit
Je nach Herkunft der Kalorien wirken sie sehr unterschiedlich auf Hungergefühl, Hormone, Energieverbrauch und die Hirnregionen, die den Appetit regulieren. Kalorien sind zwar wichtig, aber es ist nicht nötig, sie ständig zu zählen oder darüber nachzudenken, wenn man abnehmen will. In vielen Fällen führt einfach eine andere Auswahl der Nahrungsmittel zum selben oder sogar besseren Ergebnis als die Begrenzung der Kalorienzufuhr.

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