Dienstag, 22. August 2017

Brennnessel: ein (be)stechender Alleskönner


Die Brennnessel ist eine der ersten Pflanzen, die nach dem Winter - Ende Februar bis Anfang März - zu wachsen beginnt. Vertieft man sich in die Geschichte der Brennnessel, erweist sich Urtica als eine äußerst faszinierende Pflanze.
Die Schule des Hippokrates, der als Vater der Medizin gilt, kannte bereits im vierten Jahrhundert vor Christus die Wirkung der Brennnessel gut, vor allem bei der Hautkrankheit Urticaria, besser bekannt als Nesselfieber. Der Name Urtica dioica kommt vom lateinischen Wort „uro“, übersetzt „ich brenne“. Das weist auf den brennenden Charakter der Pflanze hin. Die winzigen Brennhaare an den Blattunterseiten und am Stängel brechen bei der leichtesten Berührung ab und sind nadelspitz. Sie dringen daher auch leicht in die Haut ein und geben dann eine brennende Flüssigkeit ab, die unter anderem Ameisensäure, Acetylcholin und Histamin enthält. Medizinisch werden vor allem die Große Brennnessel (Urtica dioica) und die Kleine Brennnessel (Urtica urens) eingesetzt.
Brennnessel: vielseitig verwendbar
Die Beziehung zwischen der Krankheit Urticaria in den römischen Schulen und Urtica liegt dann auch auf der Hand. Aber was nur wenige Menschen wissen ist, dass die Pflanze für sehr viel mehr Zwecke verwendet wird. Ab der Bronzezeit bis zum 17. Jahrhundert wurde in einigen nördlichen Ländern die Faser viel benutzt um Seile, Tücher und Angelschnüre herzustellen. Auch zur Papierherstellung verwendete man Brennnessel. Besonders in Notzeiten aß man gekochte Brennnesselblätter als Gemüse. Aus den kräftigen Fasern der Stängel webte man eine Art Stoff, eine Anwendung, die unsterblich wurde durch Hans Christian Anderson‘s Märchen „Die wilden Schwäne“, in dem die Prinzessin Hemden aus Brennnesseln weben musste, um ihre in Schwäne verzauberten Brüder zu retten.
Brennnessel: der weltweite Alleskönner
Seit dem alten Griechenland bis in die heutige Zeit wird die Brennnessel in großem Umfang von Kräuterkundigen weltweit verwendet. Im ersten Jahrhundert nach Christus berichteten die griechischen Ärzte Dioskurides und Galen, dass das Blatt der Brennnessel harntreibend wirke und abführende Eigenschaften besäße. Und es war hilfreich bei Asthma, Rippenfellentzündung und Milzkrankheiten. Mit einem Verband, getränkt in Wasser mit Blatt und Stängel der Brennnessel, stoppte man in der amerikanischen Heilkunde blutende Wunden. In der brasilianischen Kräutermedizin wird die ganze Pflanze zur Behandlung starker Menstruationsblutungen, gegen Durchfall, Diabetes, Harnwegs- und Atemwegserkrankungen sowie Allergien eingesetzt. Mit Brennnessel-Extrakt behandelt man äußerlich Hautprobleme. So wird in Peru die Brennnessel äußerlich bei Entzündungen, Ischias, Wunden und Kopfläusen aufgetragen. In Deutschland wird bis heute Brennnessel als pflanzliches Mittel bei Prostata-Erkrankungen und als harntreibendes Diuretikum verkauft. Zudem ist Brennnessel Bestandteil vieler anderer Medizinpräparate. Besonders die Wurzel wird als harntreibendes Mittel empfohlen, um die Beschwerden bei einer Prostatavergrößerung sowie anderen Prostataproblemen zu lindern. Man kann deshalb sagen, dass die Brennnessel ein beliebtes Universalkraut ist und von fast allen Kräuterkundigen eingesetzt wird. Die Brennnessel gilt als besonders vielseitig einsetzbar. Brennnessel stärkt und unterstützt den gesamten Organismus. Darüber hinaus wird die Brennnessel in ganz Europa als traditionelle Frühjahrskur und zur allgemeinen Entgiftung gegeben. Durch ihre abführende Wirkung hilft sie dem Körper beim Abtransport angesammelter Abfallstoffe. Besonders die Reinigung über die Nieren ist bekannt; Brennnessel wird darum häufig angewendet bei Harnwegsinfektionen, Nierensteinen und Gicht. Und besonders die Kombination von Brennnessel und Chlorella-Algen bildet eine wirksame Methode und eine ausgezeichnete Kur, um den Körper von Schwermetallen, Pestiziden und Giften zu befreien.
Wirksame Bestandteile
Die bekanntesten Inhaltsstoffe der Brennnessel sind:
  • der Bitterstoff Cnicin
  • Gerbstoffe wie Ameisensäure
  • Schleimstoffe
  • ätherische Öle
  • Chlorophyll
  • Indole (zum Beispiel Histamin und Serotonin)
  • der Nervenbotenstoff Acetylcholin
  • Vitamine C, B, E und K
  • Betacarotin
  • Eisen
  • Kalium
  • Kalzium
  • Magnesium
  • Schwefel
  • Mangan
  • Silizium (besonders in den Brennhaaren)
  • und Ballaststoffe.

Die Substanzen, die den stechenden und brennenden Schmerz der Brennhaare verursachen, sind Acetylcholin, Histamin, Serotonin und kleine Mengen Leukotriene, die an chronischen Entzündungen beteiligt sind. Hinzu kommt das blutverdünnende Cumarin Scopoletin, Flavonoide, Fettsäuren, Terpene, Proteine, Vitamine und Mineralien. Je nach Standort liefert die Brennnessel zwei- bis viermal so viel Eisen wie ein Rindersteak.
Die Anwendungsgebiete
Allergische Rhinitis (allergischer Schnupfen)
Brennnesselextrakt beeinflusst die wichtigsten Rezeptoren und Enzyme, die mit allergischem Schnupfen in Verbindung gebracht werden. Aus verschiedenen Studien ging hervor, dass die Brennnessel hierbei eine Rolle spielt. Im Labor bremste ein Brennnesselextrakt verschiedene Entzündungsprozesse, die die Symptome von jahreszeitbedingten Allergien hervorrufen. Bemerkenswert ist, dass insbesondere Histamin, das gerade die Allergiesymptome verursacht, konzentriert in der Brennnessel vorkommt. Es scheint widersprüchlich, dass eine Pflanze, die Histamin enthält, unsere Histamin-Reaktion bremst, wenn sie eingenommen wird. Aber wissenschaftliche Studien lassen daran keinen Zweifel. Auch klinische Untersuchungen an Patienten zeigen, dass Brennnesselkapseln bei Menschen mit Heuschnupfen das Niesen und Jucken vermindern. Manche Ärzte raten dazu, rechtzeitig vor der Allergie-Saison ein gefriergetrocknetes Brennnessel-Präparat einzunehmen.
Asthma
Es gibt wohl historisches Material über die heilende Wirkung von Brennnessel bei unter anderem Asthma, aber der algerische Wissenschaftler Hanene Zemmouri wollte die bioaktiven Substanzen untersuchen, die möglicherweise an anti-asthmatischen Aktivitäten beteiligt sind. Er untersuchte die Wirkung von Brennnesselblätterextrakt, dessen Anwendung in Algerien Tradition hat. Für die Studie teilte er ausgewachsene männliche Wistar-Ratten in vier Gruppen ein, die den Extrakt und Hühnereiweiß erhielten, um eine Reaktion herauszufordern. Nach 25 Tagen wurden Blut- und Gewebeproben analysiert. Die oxidativen Stressparameter wurden bewertet in den Lungen, in der Leber und den roten Blutkörperchen. Anschließend wurden die Zusammenhänge zwischen den Markern von Atemwegsentzündungen und oxidativem Stress untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass der Extrakt die Entzündungsparameter deutlich senkt.
Prostataprobleme
Die Brennnessel wird gegenwärtig vor allem in Deutschland bei einer gutartigen Vergrößerung der Prostata angewendet. Forschungen haben nämlich gezeigt, dass die Anwendung von Brennnesselextrakt – manchmal in Kombination mit Sägepalme – die Beschwerden lindert und die Blasenfunktion kräftigt. Der Urinstrahl wird stärker, die Blase lässt sich besser vollständig leeren und der ständige Harndrang nimmt ab. Diese Symptome werden verursacht durch eine vergrößerte Vorsteherdrüse, die auf die Harnröhre drückt. Die Brennnessel kann mit anderen Heilpflanzen wie afrikanischer Pflaumenbaumrinde oder Sägepalme kombiniert werden. Das ergibt eine breitere Wirkung als Brennnessel alleine und verringert auch die Entzündung und Schwellung bei chronischer Prostataentzündung. Auch die Vergrößerung der Prostata soll auf diese Weise vermindert werden.

Rheuma und Arthrose
Brennnessel wird traditionell bei rheumatischen Gelenkerkrankungen eingesetzt. 50 Gramm gedämpfte Brennnessel konnten in einer Studie Schmerzen, Steifigkeit und Bewegungseinschränkungen bei Rheuma-Patienten soweit lindern, dass die Patienten die tägliche Dosierung ihres Schmerzmittels Diclofenac von 200 auf 50 Milligramm senken konnten. Und auch bei Arthrose dämpft Brennnesselextrakt die Schmerzen und erhöht die Beweglichkeit. Der Extrakt hemmt verschiedene Entzündungsbotenstoffe, die bei Arthrose im Mittelpunkt stehen. Besonders die Kaffeoyläpfelsäure beugt der Produktion und Ausschüttung von Substanzen vor, die Entzündungen in den Gelenken hervorrufen oder verschlimmern. Zusätzlich wird verhindert, dass knorpelabbauende Enzyme den Gelenkknorpel weiter schädigen.
Reinigung und Entgiftung
Die wichtigste Fähigkeit der Brennnessel ist ihre Reinigungs- und Entgiftungsfunktion. Die harntreibende Wirkung der Brennnessel steht in einem besonders guten Ruf. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass bei vielen akuten oder chronischen Beschwerden als Folge von Übersäuerung und Verschlackung des Körpers, die Pflanze wegen ihrer entwässernden Eigenschaften angewendet wird. So können auch verschiedene Hautprobleme effektiv mit Brennnessel behandelt werden. Außerdem lassen sich die positiven Eigenschaften der Brennnessel durch eine Kombination mit anderen Heilpflanzen verstärken oder anfüllen. Das sieht man insbesondere bei einer Kombination von Brennnessel mit Sägepalme oder Chlorella-Algen. Die Sägepalme ist ein hochwirksames pflanzliches Arzneimittel bei gutartiger Prostatavergrößerung und Chlorella bindet Schadstoffe und Schwermetalle und fördert die Entgiftung des Körpers.
Mögliche Nebenwirkungen der Brennnessel
Im Allgemeinen denken Menschen, dass Brennnessel ungefährlich ist. Dennoch kann die Brennnessel Nebenwirkungen verursachen, wie Magenreizungen, Flüssigkeitsansammlungen, Schwitzen, Durchfall oder Hautausschlag. Die Berührung einer Brennnesselpflanze kann eine allergische Hautreaktion auslösen. Tragen Sie niemals Brennnessel auf offene Wunden auf. Schwangere Frauen sollten den Kontakt mit Brennnesselpflanzen vermeiden, weil die Inhaltsstoffe eine hormonelle Wirkung haben und eine Fehlgeburt auslösen können. Weil die Brennnessel den Blutzuckerspiegel beeinflussen kann, müssen auch Diabetiker vorsichtig sein. Ebenfalls ist Vorsicht geboten bei niedrigem Blutdruck und bei der Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten. Brennnessel kann die Blutgerinnung verändern und die Wirkung entsprechender Arzneimittel verstärken oder abschwächen.

Quellen: Ghorbanibirgani A, Khalili A, Zamani L. The Efficacy of Stinging Nettle (Urtica Dioica) in Patients with Benign Prostatic Hyperplasia: A Randomized Double-Blind Study in 100 Patients. Iranian Red Crescent Medical Journal. 2013;15(1):9-10. doi:10.5812/ircmj.2386

Roschek, B., Fink, R. C., McMichael, M. and Alberte, R. S. (2009), Nettle extract (Urtica dioica) affects key receptors and enzymes associated with allergic rhinitis. Phytother. Res., 23: 920–926. doi:10.1002/ptr.2763

Zemmouri H, Sekiou O, Ammar S, El Feki A, Bouaziz M, Messarah M, Boumendjel A. Urtica dioica attenuates ovalbumin-induced inflammation and lipid peroxidation of lung tissues in rat asthma model. Pharm Biol. 2017 Dec;55(1):1561-1568. doi: 10.1080/13880209.2017.1310905

Engelmann U, Walther C, Bondarenko B, Funk P, Schläfke S. Efficacy and safety of a combination of sabal and urtica extract in lower urinary tract symptoms. A randomized, double-blind study versus tamsulosin. Arzneimittelforschung. 2006;56(3):222-9. doi: 10.1055/s-0031-1296714

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