Freitag, 4. August 2017

Schlechte Laune ist gesund und macht kreativ


Schlechte Laune zu haben, ist besser, als man glaubt. Erst der Versuch sich ständig gut zu fühlen, macht krank und depressiv.

Wir alle fühlen uns so dann und wann mal schlecht. Ob es nun der klassische Montagsblues ist oder der Tod eines nahestehenden Menschen: Traurigkeit und Niedergeschlagenheit können uns in jedem Moment überfallen. Doch statt über das persönliche Elend zu klagen und zu jammern, sollten wir uns darüber freuen, meint die University of New South Wales. Denn schlechte Laune ist tatsächliche gut für die Gesundheit.

Ewige Glücksgefühle als Norm?

Die Spezies Mensch ist so ziemlich das emotionalste Wesen, das man sich vorstellen kann. 24 Stunden pro Tag werden wir von unseren Gefühlen gesteuert. Und die sind bei Weitem nicht immer freudiger Natur. Doch obwohl Traurigkeit und schlechte Laune immer Teil der menschlichen Erfahrung waren, leben wir nun in einem Zeitalter, das solche Gefühle ignoriert oder abwertet. In unserer Kultur werden normale menschliche Emotionen wie vorübergehende Traurigkeit häufig als krankhafte Störung behandelt. Werbung und Produktindustrie wollen uns glauben lassen, dass Glücksgefühle rundum die Uhr eine der leichtesten Übungen ist. Aber trotz des beinahe universellen Fröhlichkeits-Kultes und des beispiellosen materiellen Wohlstands haben sich Freude und Zufriedenheit in der westlichen Gesellschaft seit Jahrzehnten nicht verbessert. Es ist Zeit, die Rolle negativer Emotionen in unserem Leben neu zu bewerten. Wir sollten erkennen, dass sie einen normalen und sogar nützlichen und anpassungsfähigen Teil des Menschseins darstellen, die uns helfen, mit vielen alltäglichen Situationen und Herausforderungen zurechtzukommen, ist Professor Joseph Paul Forgas von der University of New South Wales überzeugt.

Negative Emotionen fördern das Denken

Denn laut Experten fungiert ein wenig schlechte Laune oft als persönliches Alarmzeichen für den Körper und fördert in schwierigen Situationen einen aufmerksameren und fokussierteren Denkprozess. Es ist ein effektiver Weg zur Problemlösung. Negative Gefühle wie Angst, Zorn, Scham oder Ekel sind tatsächlich nützlich, weil sie uns helfen bedrohliche oder gefährliche Situationen zu erkennen, zu vermeiden und zu überwinden, berichtet die Studie. Wut verbessert sogar das Gedächtnis, stellten die Wissenschaftler fest. Studienteilnehmer erinnerten sich beispielsweise an ein Geschäft, das sie gerade verlassen hatten, viel detaillierter schlecht gelaunt als bei guter Stimmung. Sie stellten auch fest, dass unsere Einschätzungen und unser Urteilsvermögen weniger getrübt und unsicher sind, wenn wir uns so richtig von Herzen ärgern. Das bedeutet: Wenn jemand Ihnen falsche Informationen gibt, ist es weniger wahrscheinlich, dass Sie das glauben.

Traurigkeit macht kreativ

Diejenigen, die so richtig sauer sind, neigen dazu, sich in Tests mehr anzustrengen, Fragen korrekter zu beantworten und andere besser zu einer bestimmten Meinung überreden zu können. Wenn das nicht genug ist, um Sie zu überzeugen, dann vielleicht die Tatsache, dass Traurigkeit lange als Erweiterung künstlerischer Kreativität angesehen wurde. Darum singen Musiker regelmäßig über das Scheitern von Beziehungen und missliche Lebenssituationen. Die Studie richtete sich darauf, den Mythos zu verdrängen, dass Reichtum und Glück die beiden einfachsten Wege sind, um Zufriedenheit im Leben zu erreichen. Entgegen dem weit verbreiteten Glauben, dass ständiger Optimismus auf Dauer nicht unbedingt glücklich macht. „Weil wir Glücklichsein verherrlichen und die Vorteile von Trübsal leugnen, setzen wir uns selbst ein unerreichbares Ziel. Das kann auch mehr Enttäuschung verursachen, manche sagen sogar Depressionen“, berichtet die Studie.

Ein kurzer „trauriger“ Rückblick

Wenn wir einige tausend Jahre zurückblicken, wurden Anfälle von Schwermut – eine Form von negativer Beeinflussung – akzeptiert und gepflegt. „Viele der großen Werke der westlichen Kunst handeln vom Wachrufen trauriger Emotionen – in der Literatur und der Musik. Die Entwicklung der griechischen Tragödien diente demselben Zweck: einen negativen Einfluss hervorzurufen und das Publikum auf diese Weise daran zu gewöhnen, unvermeidliche Widrigkeiten im Leben anzunehmen. Heutzutage liegen die Dinge ein klein wenig anders.
Als Ergebnis des mächtigen kommerziellen Drucks von Werbung, Marketing und Selbsthilfe-Branchen werden wir ständig mit Nachrichten bombardiert, die uns dauerhafte Freude versprechen,“ erklärt Psychologie-Professor Joseph Paul Forgas von der University of New South Wales. „Das ist natürlich nicht wahr und kann sehr schädlich sein. Wenn man von unablässigem Glücklichsein ausgeht, erscheinen normale, leicht negative Stimmungen bereits als krankhaft und das Endergebnis ist, dass viele Menschen depressiv werden.“

Was sind die Vorteile?

Hier beginnt die Sache interessant zu werden. Wissenschaftler und Forscher haben erst vor Kurzem angefangen, Traurigkeit zu entschlüsseln und wie wir auf periodische Anfälle von Traurigkeit reagieren. „Die meisten negativen Emotionen haben einen klaren, anpassungsfähigen, evolutionären Zweck. Trotzdem wussten wir lange Zeit nicht, welche Funktion Traurigkeit hat,“ sagt Forgas. „Erst in den letzten Jahren haben psychologische Experimente gezeigt, dass leichte, vorübergehende Stimmungsschwankungen wie ein unbewusstes Alarmsignal arbeiten.“
Dieses automatische Signal fördert eine aufmerksamere und detailliertere Denkweise, was in herausfordernden Situationen eine effektivere Reaktion ermöglicht.
In unserem Labor fanden wir heraus, dass eine leicht negative Stimmung die Genauigkeit der Erinnerungen verbessert, abwertende Vorurteile reduziert und für eine effektivere Kommunikation sorgt und Menschen empfänglicher für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen macht,“ sagt Forgas.
In dieser Studie führte eine durch schlechtes Wetter bedingte miese Laune dazu, dass die Betroffenen sich besser an das Geschäft erinnerten, das sie gerade verlassen hatten. Diese Studie zeigte, dass schlechte Stimmung die Skepsis erhöht und die Fähigkeit Täuschungen zu enttarnen. Zu guter Letzt stellte diese Studie fest, dass schlechte Laune die Ausdauer bei einer schwierigen Denkaufgabe erhöht. „So verhält es sich eigentlich wie mit allen Gefühlszuständen: auch negative Gefühle dienen einem evolutionären Zweck,“ berichtet Professor Forgas.

Wann steckt hinter schlechter Laune mehr?

Natürlich gibt es einen entscheidenden Punkt, an dem vorübergehende Phasen von Traurigkeit sich verfestigen und zum Dauerzustand werden. Laut Forgas wird das durch schlecht funktionierende Mechanismen verursacht, die den angemessenen Umgang mit diesen Gefühlen verhindern. „Normalerweise sind wir so ausgestattet, dass wir mit vorübergehenden schlechten Stimmungen umgehen können. Genauer gesagt, wir werden wachsamer, vorsichtiger und konzentrierter. Doch wenn diese automatischen Mechanismen nicht ordentlich funktionieren, können die negativen Gefühlszustände intensiv und dauerhaft werden,“ erklärt Forgas. „Solche depressiven Zustände können durch diese automatischen Mechanismen nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das passiert nur, wenn negative Emotionen übermäßig stark und anhaltend werden. Dann wird es problematisch und erfordert Hilfe.“

Während Forgas Forschungen sich auf Erfahrungen mit leichten vorübergehenden Stimmungsschwankungen konzentriert haben, werfen sie dennoch ein neues Licht auf die Bedeutung unserer nicht nachlassenden Werbung für dauerhaftes Glücklichsein als erreichbare Norm. „Es würde uns weitaus besser gehen mit der Erkenntnis, dass Menschen sich im Laufe von vielen tausend Jahren entwickelt haben, um eine große Bandbreite an Gefühlen zu erfahren. Viele davon sind negativ, doch unsere schwankenden Gefühlszustände existieren aus einem evolutionären Grund und sollten akzeptiert werden.“

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