Montag, 25. Dezember 2023

Atemübungen: Warum wirken sie so entspannend?

Bewusstes Atmen entspannt (Foto: pixabay.com)


Sie leiden gerade unter Stress? Atmen Sie langsam ein, halten den Atem einen Moment lang an und pusten die Luft noch langsamer wieder aus. Wiederholen Sie dies ein paar Mal und Sie können entspannt weiterlesen. Aber warum entspannt bewusstes Atmen so gut?

 

Fühlen Sie sich gestresst? Dann wird Ihnen Ihre Oma, beste Freundin oder Ihr Physiotherapeut schnell zu Atemübungen raten. Schließlich entspannen Sie durch das langsame Atmen. Aber warum wirkt das so gut? Und ist das auch der Grund, warum sich Meditation oft auf die Atmung konzentriert?

Einfluss auf das parasympathische Nervensystem

Stress ist ungesund. Zumindest, wenn er lange anhält. Bei Stress wird das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, was Blutdruck und Herzfrequenz steigert. Leider können wir uns nicht aussuchen, wann und wie oft wir uns gestresst fühlen. Wir können aber versuchen, aktiv den Stress durch Entspannungsübungen zu senken.

Helfen Atemübungen bei Stress? Ja, sagt die Professorin für Gesundheitspsychologie an der Katholischen Universität Lüttich, Ilse Van Diest. Aber die genauen Mechanismen sind noch unklar. Es gibt jedoch eine allgemein akzeptierte Erklärung: „Langsames Atmen aktiviert den parasympathischen Teil des autonomen Nervensystems“. Unbewusst senkt dieser Teil des vegetativen Nervensystems die Herzfrequenz und den Blutdruck, steigert aber die Produktion der Verdauungssäfte im Darm. Kurzum: Nehmen Sie sich bei Stress und Anspannung einen Moment Zeit zum Atmen, um zur Ruhe zu kommen.

Bei Stress ist gerade der Gegenspieler, das sympathische Nervensystem, aktiv. Dadurch wird Ihr Körper unbewusst zum Handeln angeregt. Dann steigt unter anderem die Herzfrequenz und die Verdauung kommt zum Stillstand: Ihr Körper ist bereit für einen schnellen Sprint. Für unsere Vorfahren war das sinnvoll, zum Beispiel weil sie vor einer Gefahr fliehen mussten, aber in den meisten heutigen Stresssituationen ist Flucht natürlich nicht nötig.

In solchen Momenten können Sie mit Atemübungen diesen Teil des Nervensystems bremsen und den parasympathischen Teil des Nervensystems aktivieren.

Sympathikus versus Parasympathikus

Ohne bewusst darüber nachzudenken, atmen wir und auch das Herz schlägt ein Leben lang, ohne dass wir es bewusst steuern. Je nachdem, in welcher Situation wir uns befinden, sind Atmung und Herzschlag langsam oder schnell.

Gesteuert wird das von zwei Systemen mit gegensätzlicher Funktion: dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Sie bilden zusammen mit dem enterischen Nervensystem, einem komplexen Nervenzellengeflecht im gesamten Verdauungssystem, das man auch als Bauchhirn bezeichnet, das vegetative Nervensystem. Der Parasympathikus oder das parasympathische Nervensystem ist für die Regulierung von Ruhe- oder Erholungsphasen zuständig und steuert die Aktivität vieler Organe, ohne dass wir das bewusst beeinflussen können. Der Parasympathikus sorgt zum Beispiel auch für den Aufbau von Energiereserven. Dafür nutzt er Ruhepausen und aktiviert die Verdauung. Darum gluckert der Bauch häufig, wenn wir entspannt auf dem Sofa liegen.

Der Sympathikus steuert die Organfunktionen in Stresssituationen. Dann erweitern sich die Pupillen, die Speichelproduktion wird gebremst, die Bronchien erweitert, der Herzschlag beschleunigt, die Darmbewegungen verlangsamt, die Schweißproduktion erhöht und die Haare stellen sich auf. Der Körper bereitet sich auf eine Flucht oder einen Kampf vor.

Genauer Grund noch unbekannt

Warum wirkt langsames Atmen überhaupt auf das parasympathische Nervensystem? Darüber sind sich Wissenschaftler noch nicht sicher, aber es gibt einen Zusammenhang mit der Herzfrequenz, erklärt Van Diest. „Beim Einatmen beschleunigt der Herzschlag und beim Ausatmen verlangsamt er sich wieder. Bei einer langsamen Atmung mit sechs Atemzügen pro Minute ist der Unterschied bei dieser Geschwindigkeit maximal.“ Und dieser Unterschied könnte die parasympathische Aktivität verstärken. Aber ob das wirklich so ist, ist bislang noch nicht völlig geklärt.

Mehr Körperbewusstsein durch Atemübungen

Atemübungen entspannen nicht nur, sondern ermöglichen auch mehr Körperbewusstsein. Dafür ist es in der Tat nützlich, wenn man sich auf etwas konzentrieren kann. Und laut Van Diest ist die Atmung dafür besonders geeignet. „Viele andere Körpervorgänge lassen sich schwer überwachen. Wir sind uns zum Beispiel oft nicht bewusst, was unser Darm gerade macht.“ Es sei denn, die Toilette ruft dringend zu einem Besuch auf.

Beim Ein- und Ausatmen ist das anders. Van Diest: „Ihre Atmung können Sie ständig beobachten, denn es ist eine kontinuierliche Bewegung.“ Also ideal, um seine Aufmerksamkeit darauf zu richten. Deshalb sind Atemzüge auch oft ein zentraler Punkt während der Meditation. So kann man sich unter anderem verkrampfter Muskeln, Kopfschmerzen oder Unruhe bewusstwerden. Entspannungsübungen und damit auch Atemübungen wirken am effektivsten, wenn man sie regelmäßig macht. Forschungen des Massachusetts General Hospital zeigten schon 2011, dass solche Übungen stärker wirken, bei Personen, die viel Erfahrung damit haben. Atmen Sie den Stress doch einfach mal weg!

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