Donnerstag, 8. August 2013

Schwere Unterzuckerungen häufig bei Typ 2-Diabetikern


Schwere Unterzuckerungen kommen bei medikamentös behandelten Diabetikern häufig vor, auch bei schlecht eingestellten Blutzuckerwerten, wie eine neue Studie zeigt.

Patienten mit Diabetes, die bestimmte Medikamente zur Blutzuckersenkung einnehmen, erfahren manchmal schwere Unterzuckerungen (Hypoglykämien), unabhängig davon, ob ihr Diabetes schlecht oder gut unter Kontrolle ist. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der »Kaiser Permanente and Yale University School of Medicine«. Die Erkenntnisse, veröffentlicht in der aktuellen Online-Ausgabe von »Diabetes-Care«, stellen die gängige Annahme infrage, dass Hypoglykämien vorrangig ein Problem bei gut eingestellten Diabetikern mit niedrigen durchschnittlichen Blutzuckerwerten sind.

Hypoglykämien haben ernste Langzeitfolgen

Unterzuckerung oder Hypoglykämie kann unangenehme Symptome verursachen wie Schwitzen, Schwindel, Zittern und Herzrasen und wird typischerweise mit Nahrung oder einem zuckerhaltigen Getränk behandelt. Schwere Unterzuckerungen treten auf, wenn der Blutzucker so weit absinkt, dass der Patient Hilfe benötigt und können zu Schwindel oder geistiger Verwirrtheit, Verletzungen, Autounfällen, Koma oder sogar in seltenen Fällen zum Tod führen. Mehrere neuere Studien stellten fest, dass Patienten mit schweren Unterzuckerungen auch ein höheres Risiko für Demenz, Stürze, Knochenbrüche und Herzinfarkte haben im Vergleich zu Patienten ohne Hypoglykämien.

Unterzuckerungen auch bei schlecht eingestelltem Blutzucker

»Viele Mediziner gehen davon aus, dass Hypoglykämie bei schlecht eingestelltem Typ 2-Diabetes kein großes Problem darstellt, angesichts der hohen durchschnittlichen Blutzuckerwerte«, sagt Studienleiter Andrew Karter vom »Kaiser Permanente Division of Research«. »Diese Studie legt nahe, dass wir Hypoglykämien viel mehr Aufmerksamkeit schenken müssen, auch bei schlecht eingestellten Diabetikern. Diabetes-Fachkräfte sollten die Symptome einer Hypoglykämie erklären, wie man sie behandelt und wie man sie vermeidet, zum Beispiel in dem man keine Mahlzeit ausfallen lässt. Besonders wichtig ist es auch, alle Diabetes-Patienten zu fragen, ob sie Unterzuckerungen erlebt haben, auch solche Patienten mit sehr hohen Durchschnittswerten.«

Mehr als 10 Prozent leiden an schweren Hypoglykämien

Die Forscher untersuchten medikamentös behandelte Typ 2-Diabetiker und fragten sie nach Erfahrungen mit schweren Hypoglykämien. Beinahe 11 Prozent der mehr als 9.000 Befragten hatte im vorangegangenen Jahr ernste Unterzuckerungen und dies trat unabhängig vom Durchschnittswert des Blutzuckers auf.
Wissenschaftler teilten die Patienten in fünf Kategorien des HbA1c ein, aufsteigend vom niedrigsten bis zum höchsten Wert. Der HbA1c-Wert - das Blutzuckergedächtnis - zeigt, wie der durchschnittliche Blutzuckerwert in den letzten zwölf Wochen war. Die Mediziner berechneten die Häufigkeit schwerer Hypoglykämien für jede Kategorie. Die Patienten mit den niedrigsten und höchsten HbA1c-Werten hatten tendenziell ein höheres Risiko für Hypoglykämie verglichen mit den Patienten mit einem mittleren HbA1c. Allerdings waren die Unterschiede gering und Unterzuckerungen waren in allen Kategorien verbreitet.

Hypoglykämie häufigste Komplikation der Therapie

»Hypoglykämie ist die meist vorkommende Komplikation in der Diabetes-Therapie und wird mit einem schlechten Gesundheitszustand verbunden«, sagt Studienautorin Kasia Lipska, Endokrinologin an der »Yale University School of Medicine«. »In klinischen Studien, in denen Patienten intensiv behandelt wurden, um eine exzellente Blutzuckerkontrolle zu erreichen, traten viel mehr Hypoglykämien auf als bei Patienten, die weniger aggressiv behandelt wurden. Aber wir wussten nicht sehr viel über die Beziehung zwischen Blutzuckerkontrolle und Hypoglykämie in der klinischen Praxis. Wir wollten verstehen, ob Patienten, die den niedrigsten durchschnittlichen Blutzucker erreichen, wirklich das höchste Risiko für Hypoglykämien haben.«

Schlechte Blutzuckerkontrolle kann nicht die Lösung sein

»Es ist wichtig anzumerken, dass nicht direkt der HbA1c-Wert Unterzuckerung verursacht, sondern die Therapien zur Senkung des Blutzuckerspiegels«, sagt Dr. Lipska. »Weitere Studien müssen besser die Patienten identifizieren, die das höchste Risiko für Hypoglykämien haben, damit wir das Risiko senken können. Im Moment wissen wir nur, dass schlechte Kontrolle sicher keine Vorbeugung sein kann.«

Verschieden Faktoren berücksichtigen

Die Forscher empfehlen, dass eine gute Diabetes-Behandlung auch Nebenwirkungen der Therapie wie Hypoglykämien berücksichtigen sollte. »Während eine aggressive Behandlung von hohem Blutzucker einmal als Kennzeichen besserer Betreuung galt, haben neue klinische Studien die Bedenken für eine strenge Blutzuckerkontrolle erhöht, besonders bei gebrechlichen und älteren Menschen«, sagt Karter.

Metaanalyse bestätigt höheres Herz-Kreislauf-Risiko

In einer aktuellen Metaanalyse von sechs Studien stellten Wissenschaftler aus Japan, USA und den Niederlanden auch fest, dass schwere Unterzuckerungen ein möglicher Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Typ 2-Diabetikern darstellen. Sie empfehlen daher weniger strikte Blutzuckerzielwerte bei Patienten mit Typ 2-Diabetes und hohem Hypoglykämie-Risiko. Der Zusammenhang wurde kürzlich durch eine oder mehrere ernste Vorerkrankungen erklärt, doch die Forscher halten das für unwahrscheinlich. Dafür müsste die Häufigkeit schwerer Krankheiten unrealistisch hoch sein unter Patienten mit Hypoglykämien und der Zusammenhang zwischen schwerer Krankheit und Herz-Kreislauf-Erkrankung müsste extrem stark sein.

Hypoglykämien verdoppeln Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Abschließend sagen die Forscher, dass ihre Ergebnisse andeuten, dass schwere Hypoglykämien mit einem doppelt so hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden sind. Sie denken, dass Blutzuckersenker mit einem niedrigen Hypoglykämierisiko, gute Patientenschulung und Selbstüberwachung des Blutzuckers die beste Vorbeugung zur Vermeidung von Hypoglykämien sind und diese Maßnahmen dazu beitragen, Herz-Kreislauf-Krankheiten zu verhindern.

Quellen: Kasia J. Lipska, E. Margaret Warton, Elbert S. Huang, Howard H. Moffet, Silvio E. Inzucchi, Harlan M. Krumholz und Andrew J. Karter: HbA1c and Risk of Severe Hypoglycemia in Type 2 Diabetes: The Diabetes and Aging Study, Diabetes Care published ahead of print July 30, 2013, doi:10.2337/dc13-0610

A. Goto, O. A. Arah, M. Goto, Y. Terauchi, M. Noda: Severe hypoglycaemia and cardiovascular disease: systematic review and meta-analysis with bias analysis. BMJ, 2013; 347 (jul29 3): f4533 DOI: 10.1136/bmj.f4533

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