140 Zeichen beim Kurznachrichten-Dienst Twitter können Auskunft
über das Körpergewicht des Nutzers geben, meinen Wissenschaftler.
Dafür entwarfen sie eigens ein Computerprogramm.
Wie viele Kalorien passen in die 140
Zeichen eines Twitterberichtes? Amerikanische Forscher der
Universität Vermont haben ein Computerprogramm entwickelt, dass
Verhalten und Gesundheit der Bevölkerung anhand von Berichten in den
sozialen Medien messen kann. Sie veröffentlichten die Ergebnisse
ihrer Messungen mit dem sogenannten »Lexicocalorimeter« in der
wissenschaftlichen Zeitschrift »PLOS
ONE«.
Die meisten
Kalorien stammen von der Pizza
In
allen amerikanischen Tweets sorgte das Wort »Pizza« für die
meisten Kalorien. Nur in den Staaten Mississippi und Wyoming führten
jeweils »Sahneeis« und »Kekse« die Rangliste an, aber auch dort
fand sich »Pizza« auf einem der vorderen Plätze. Auf der
Ausgabenseite - sprich: Kalorien verbrennen - standen überall die
Aktivitäten »Fernsehen« oder »Film schauen« auf den höchsten
Plätzen im Ranking.
50 Millionen
geogetaggte Tweets verraten, was gegessen wird
Für
die Studie untersuchten die Forscher eine Auswahl von 50 Millionen
Tweets, die 2011 und 2012 aus Amerika verschickt wurden. Mit Hilfe
der Geotags konnten sie bestimmen, aus welchem Staat die Nachrichten
stammten. Das Computerprogramm suchte in den Tweets nach Worten, die
etwas über die Kalorienaufnahme oder den Kalorienverbrauch sagen
konnten. An jedes der Tausenden von Schlagwörtern koppelten die
Forscher eine Zahl als Maß für Energieaufnahme oder -verbrauch.
Anschließend legten sie Ranglisten pro Staat an mit Kalorienwörter,
die am meisten vom amerikanischen Durchschnitt abwichen und so
konnten sich die Forscher ein Bild machen über die Unterschiede
innerhalb der Vereinigten Staaten. Pro Staat konnten sie beurteilen,
ob viel essen auch mit viel Bewegung einherging. Die Daten des
Lexicocalorimeters wurden auf einer öffentlich zugänglichen
Übersichtsseite
wiedergegeben.
Einwohner von Colorado kommen bei den präsentierten
Forschungsergebnissen am besten weg, die Bevölkerung von Mississippi
am schlechtesten.
Die Grenzen der
Studie
Ein
nettes Forschungsspielzeug, der Lexicocalorimeter, aber was sagen die
Daten nun eigentlich aus? Die Wissenschaftler weisen selbst bereits
darauf hin, dass Tweets natürlich nicht unbedingt eine verlässliche
Quelle dafür sind, was Twitter-Nutzer essen und wie viel sie sich
bewegen. Und in der Tweet-Auswahl, mit der die Studie durchgeführt
wurde, finden sich auch Nachrichten von Firmen und Behörden, die
natürlich nichts über die persönliche Lebensweise aussagen. Zudem
ist es nur ein gewisser Teil der Bevölkerung, der Twitter nutzt. Vor
allem junge Leute aus städtischer Umgebung sind in sozialen Medien
wie Twitter aktiv.
Und
es gibt weitere Fallstricke. Einige Wörter, die als Schlüsselwörter
verwendet wurden, sind doppeldeutig. Die Forscher nennen dabei selbst
schon als Beispiel das Verb »run«, zu deutsch laufen. »Run« wird
als die Aktivität »Rennen« verstanden, aber gleichzeitig ist es im
Wörterbuch »Oxford English Dictionary« das Verb mit den meisten
Bedeutungen - wie beispielsweise »durchbohren oder aufspießen«
(run through) oder »auf Dauer« (in the long run). Das hat natürlich
nichts mehr mit Bewegung oder Sport zu tun, geschweige denn mit
Kalorienverbrauch.
Ein
ordentlicher Indikator für den Gesundheitszustand
Ungeachtet
dieser Einschränkungen liefert die Analyse dennoch sinnvolle
Informationen, meinen die amerikanischen Wissenschaftler. Sie
verglichen das mit dem Lexicocalorimeter erhaltene Kalorienverhältnis
(Kalorienaufnahme geteilt durch Kalorienverbrauch) mit bekannten
Gesundheitsstatistiken wie Übergewicht, Diabetes, Blutdruck und
Lebenserwartung. Daraus ergab sich, dass der Lexicocalorimeter in
jedem Fall ein ziemlich guter Indikator ist für den
Gesundheitszustand der Bevölkerung des jeweiligen Staates.
Eine
Ergänzung zu bisherigen Untersuchungsmethoden
Die
Forscher hoffen, dass der Lexicocalorimeter sich zu einer wertvollen
Ergänzung für vorhandene epidemiologische Datenbestände entwickeln
kann. Vorteil der Methode ist, dass sie auch in Echtzeit
funktioniert. Ähnliche Experimente sind schon früher durchgeführt
worden, um regionale Krankheitsausbrüche zu erfassen. Daraus ging
hervor, dass die Infektionsherde mit digitaler Datenanalyse schneller
zu entdecken waren als mit dem üblichen epidemiologischen Netzwerk
der Mediziner.
Messungen
für Glücksempfinden, Schlafprobleme, Alkoholmissbrauch
Die
Algorithmen des Lexicocalorimeter sind auch auf andere
Interessensgebiete anwendbar. Inzwischen gibt es schon einen
Hedonometer, der auf Basis von Tweets untersucht, wie glücklich
Menschen sind. Die Forscher haben zudem Pläne für einen
Insomniameter, um sich eine Übersicht über Schlafprobleme zu
verschaffen und für einen Hangovermeter, der Informationen über
Alkoholmissbrauch preisgeben soll.
Wie
gut, dass es also soziale Medien gibt. Fragt sich nur, wer sich um
das Glück und die Probleme der Social-Media-Verweigerer kümmert.
Aber die sind vielleicht ohnehin glücklicher und schlafen besser.
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