Sonntag, 16. Juli 2023

Fettleibige produzieren dauerhaft weniger Dopamin und erfahren kein Sättigungsgefühl



Das Sättigungsgefühl ist bei stark Übergewichtigen dauerhaft gestört und das ändert sich auch nicht nach einer Gewichtsabnahme, zeigen aktuelle Forschungen.

 

Fettleibigkeit kann nicht nur alle möglichen Krankheiten verursachen, sie verändert auch die Art und Weise, wie das Gehirn auf Nahrung reagiert. Denn bei fettleibigen Menschen nimmt das Gehirn kaum oder gar nicht wahr, dass sich Nahrung im Magen befindet. Und das ändert sich auch nicht, wenn sie viel Gewicht abnehmen.

Gehirn bei Übergewicht dauerhaft verändert

Die Funktionsweise des Gehirns wird also dauerhaft verändert, ergab eine Studie der Universitäten Amsterdam und Yale. „Unsere Forschung zeigt, dass die Gehirne fettleibiger Menschen eine dauerhafte Veränderung erfahren. Dies könnte möglicherweise erklären, warum stark fettleibige Menschen oft mehr essen, als sie sollten“, sagt die Studienleiterin Mireille Serlie. Ein wichtiger Botenstoff im Gehirn, ein Neurotransmitter, spielt dabei eine Rolle. „Wir haben festgestellt, dass fettleibige Menschen weniger Dopamin als gesunde Menschen in einer Hirnregion produzieren, die das Verlangen nach Essen reguliert. Dieses Hormon ist unter anderem für das Belohnungsgefühl verantwortlich, das Essen und Trinken auslösen.“

Gestörte Reaktion auf Essen

Serlie kam zu diesem Schluss, nachdem sie 58 Probanden - 28 normalgewichtige und 30 fettleibige Personen - gefunden hatte, die bereit waren, sich Nahrung direkt in den Magen verabreichen zu lassen. Gleichzeitig wurde die Gehirnaktivität der Teilnehmer mit einem Magnetresonanztomografen gemessen. Es stellte sich schnell heraus, dass sich die Hirnaktivität der gesunden Menschen bei vollem Magen veränderte, während in der spezifischen Hirnregion der stark übergewichtigen Menschen nichts passierte. Auch die mittels SPECT-Scan gemessene Dopaminausschüttung im Gehirn funktionierte bei der fettleibigen Gruppe schlechter. „Diese Ergebnisse deuten auf eine gestörte Reaktion des Gehirns auf das Vorhandensein von Nahrung im Magen und Darm bei Fettleibigen hin. Diese gestörte Reaktion könnte erhebliche Auswirkungen auf das Essverhalten haben und erklären, warum fettleibige Menschen weiter essen, auch wenn sie satt sind“, erklärt Serlie.

Verdauung ist ein komplexes Zusammenspiel

Die Verarbeitung der Nahrung ist ein komplexes Zusammenspiel von neurologischen Signalen und Stoffwechselsignalen zwischen dem Gehirn, dem Magen-Darm-System und Rezeptoren im Blut, die alle möglichen Nährwerte messen. Dieses Zusammenspiel erzeugt zum richtigen Zeitpunkt Hunger- oder Sättigungsgefühle. Die Forscher wissen viel besser, wie dies bei Tieren funktioniert als beim Menschen. Deshalb sind die Ergebnisse dieser Studie so interessant: Endlich gibt es eine verlässliche Studie am Menschen, die diese Vorgänge beleuchtet. Besonders überraschend ist, dass sich die Folgen der Fettleibigkeit als unumkehrbar erweisen.

Selbst ein zehnprozentiger Gewichtsverlust nach einem 12-wöchigen Diätprogramm reichte nicht aus, um die Dopaminfreisetzung bei den stark fettleibigen Teilnehmern zu verbessern. Dies deutet stark darauf hin, dass die langfristigen Veränderungen im Gehirn bei fettleibigen Menschen mindestens drei Monate lang anhalten. „Bemerkenswerterweise blieben die Reaktionen des Gehirns die gleichen wie vor der Gewichtsabnahme. Dies könnte ein Grund für die Gewichtszunahme sein, die wir sehr häufig beobachten, nachdem Menschen erfolgreich abgenommen haben. Wenn sich das Gehirn nicht mitverändert, ist es schwierig, ein gesundes Essverhalten beizubehalten“, so Serlie abschließend.

Übergewicht weit verbreitet

In Deutschland waren laut Angaben des Statistischen Bundesamtes 2019 61 Prozent der Männer und 47 Prozent der Frauen übergewichtig. Der höchste Wert liegt mit 66 Prozent in der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen. 19,1 Prozent der Männer und 19 Prozent der Frauen leiden unter starkem Übergewicht beziehungsweise Fettleibigkeit. Übergewicht und Fettleibigkeit gelten als Risikofaktor für bestimmte Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Herz- und Gefäßkrankheiten sowie Gelenk- und Rückenbeschwerden. Laut Forschungen des Robert-Koch-Instituts erhöht Übergewicht auch das Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf.

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