Donnerstag, 6. April 2023

Wie Schokolade, Chips und Pommes frites das Gehirn (dauerhaft) verändern



Warum es so schwer ist, Schokolade oder einem Donut zu widerstehen? Das liegt daran, dass die Kombination von Zucker und Fett in unserem Gehirn das Belohnungshormon Dopamin anregt. Wie genau funktioniert das, und können wir dieses System auch resetten?

 

Lebensmittel mit hohem Zucker- und Fettgehalt verändern unser Gehirn erheblich, selbst wenn wir nur ab und zu ein klein wenig nehmen. Das Gehirn lernt über das Belohnungssystem, genau diese Lebensmittel in Zukunft wieder auf dem Teller sehen zu wollen. „Es gibt mehrere Gründe, warum die westliche Ernährung in der Bevölkerung so beliebt ist. Wenn Fette und Zucker im Körper verarbeitet werden, empfängt das Gehirn über Nervenbahnen alle möglichen Reize“, erklärt Professor Marc Tittgemeyer. „Das führt unter anderem dazu, dass im Mittelhirn der Neurotransmitter Dopamin ausgeschüttet wird.“

Schlechte Botenstoffe

„Diese Dopaminsignale sind die Botenstoffe, die es den Nervenzellen ermöglichen, miteinander zu kommunizieren. Das Dopaminsystem in diesem Teil des Gehirns ist entscheidend für die Regulierung unserer Belohnungsreaktionen. Wenn die Signale von Fett und Zucker in diesem Bereich zusammenkommen, werden sie wahrscheinlich interagieren und eine Belohnungsreaktion hervorrufen“, so Tittgemeyer weiter.

„Ein weiterer Grund, warum wir uns so sehr zu fett- und zuckerhaltigen Lebensmitteln hingezogen fühlen, ist, dass auch die Muttermilch diese Inhaltsstoffe enthält. In der Natur gibt es kaum Lebensmittel, die gleichzeitig viel Zucker und Fett enthalten, daher ist Muttermilch die große Ausnahme. Sie ist unsere erste Bekanntschaft mit Lebensmitteln und gleichzeitig mit einer sozialen Zuneigungskomponente verbunden.“

Pudding mit viel Zucker und Fett

Die Forscher des deutschen Max-Planck-Instituts und des US-amerikanischen Yale-Instituts wollten in der Praxis testen, ob unser Gehirn tatsächlich lernt, fettige und zuckerhaltige Lebensmittel zu erkennen, und uns so unbewusst dazu bringt, in Zukunft mehr von diesen ungesunden Lebensmittel zu essen. Im Rahmen einer experimentellen Studie erhielten zwei Gruppen von Teilnehmern acht Wochen lang täglich einen kleinen Pudding als Ergänzung zu ihrer normalen Ernährung. In der einen Gruppe enthielt der Pudding viel Zucker und viel Fett, während er in der anderen Gruppe wenig Fett enthielt. Beide Puddings enthielten die gleiche Menge an Kalorien.

Mehr Dopamin durch Fett und Zucker

Die Belohnungsreaktion in den Gehirnen der Gruppe, die den fett- und zuckerreichen Pudding aß, war nach acht Wochen deutlich erhöht. Insbesondere das Dopaminsystem, der Teil des Gehirns, der für Motivation und Belohnung zuständig ist, schien besonders aktiv zu sein. Die Probanden der Testgruppe hatten nicht mehr Gewicht zugenommen als die Kontrollgruppe. Auch bei den Blutwerten wie Blutzucker oder Cholesterinspiegel konnte das Team keinen Unterschied feststellen. Dennoch glaubt Tittgemeyer, dass die Vorliebe für zucker- und fettreiche Lebensmittel bei den Teilnehmern auch nach der Studie anhielt. „Im Gehirn werden neue Verbindungen geknüpft, und die verschwinden nicht so schnell. Letztlich geht es beim Lernen von etwas Neuen darum, dass man es hinterher nicht so schnell wieder vergisst.“

Jäger und Sammler

Das Nervensystem entwickelte sich in einer Zeit, in der wir jede Kalorie, die wir finden konnten, noch dringend brauchten für die Zukunft. Heute schadet diese Belohnungsreaktion dem Menschen in der westlichen Welt eher. „Unser Gehirnnetzwerk entwickelte sich in den vergangenen hunderttausend Jahren in einer Zeit, als Nahrung knapp war. Der Mensch war Jäger und Sammler, es kostete viel Zeit und Mühe, um die Nahrung zusammenzusuchen. Es war nicht selbstverständlich, dass es jeden Tag genügend zu essen gab. Ein Mechanismus, der es möglich machte, in Zeiten von Überfluss mehr zu essen als nötig, brachte darum einen entwicklungsgeschichtlichen Vorteil. Ein Belohnungssystem über die Nerven, bei dem der Mensch über einen genussfreudigen Trieb zum „Überessen“ angeregt wird, funktioniert zu diesem Zweck ideal. So können in den „fetten Jahren“ Energiereserven in Form einer Fettschicht aufgebaut werden, die das Überleben in den „mageren Jahren“ wahrscheinlicher machen.“

Dick und depressiv

Die körperlichen Folgen einer zucker- und fettreichen Ernährung sind besonders groß, aber auch schwere psychische Probleme können auftreten. „Bei übergewichtigen Menschen ist das Stoffwechselsystem durcheinander geraten. Stoffwechselsignale werden vom Körper gestört oder falsch eingeschätzt. So kann zum Beispiel eine gewisse Insulinresistenz auftreten, wodurch Nervenreaktionen nicht mehr richtig funktionieren. Aufgrund der Toleranz ist eine höhere Dosis des Stimulationshormons erforderlich, um die gleiche Reaktion auszulösen. Das kann letztlich zu allen möglichen Beschwerden und Erkrankungen führen, wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz und Depressionen“, erklärt Tittgemeyer.

Aber ist dieser Prozess umkehrbar? „Es ist unklar, inwieweit es möglich ist, das Dopaminsystem zu „resetten“ und das Verlangen nach fett- und zuckerreichen Nahrungsmitteln zu verringern. Tierstudien haben gezeigt, dass das möglich ist, aber der Zeitrahmen ist unklar. In Studien am Menschen wurden bisher keine Beweise gefunden. Theoretisch wäre ein „Reset“ bei Menschen mit einem gesunden Stoffwechsel leichter zu erreichen, während es bei fettleibigen Menschen sehr schwierig zu sein scheint“, so der Professor abschließend.

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