Montag, 22. Januar 2024

Listen wirken befreiend

Listen machen den Kopf frei und geben Überblick (Foto: pixabay.com)


Listen geben Überblick. Listen machen den Kopf frei. Listen tragen sogar zur persönlichen Entwicklung bei und das Abhaken gibt ein herrliches Gefühl der Befriedigung.

 

Einkäufe, Aufgaben, Favoriten, gute Vorsätze: Wir machen für alles Mögliche Listen. Eine gute Idee, denn Listen helfen uns, Ordnung in das Chaos zu bringen und die Welt um uns herum im Griff zu behalten. Und dann ist da noch der Genuss, etwas von der Liste streichen zu können.

Listen sind beliebt

Es gibt Listenbenutzer, Listenliebhaber und Listenfanatiker. Marjolein van Braam fällt ohne Zweifel in die letzte Kategorie. Nicht umsonst bekam sie schon als Teenager den Spitznamen „Listen-Marjolein“. „Ich bin größtenteils in Spanien aufgewachsen“, erzählt sie. „Als ich 14 war, zogen wir nach Holland um. Hier bekam ich in der Schule das erste Mal in jeder Schulstunde ein anderes Unterrichtsfach. Um alle Veränderungen in meinem Leben unter Kontrolle zu bekommen, begann ich Listen zu erstellen. Zuerst nur für die Schulaufgaben, aber schon schnell auch für allerlei andere Dinge, wie meine Lieblingsmusik und Dinge, die ich noch machen wollte. In dieser Zeit fing ich auch an, verschiedene Notizbücher für unterschiedliche Themen zu führen.“

Sowohl analog als auch digital

35 Jahre später hat sie noch immer überall Notizbücher und Zettel mit Listen: in ihrer Handtasche, auf dem Küchentisch, neben dem Bett. In den Auflistungen geht es um alles und nichts. Von einfachen Dingen, wie mögliche Themen für ihre Blogs oder dass sie nicht vergessen darf, eine Geburtstagskarte zu schicken, bis hin zu großen geschäftlichen Ambitionen und persönlichen Träumen. Sie benutzt ein Bullet-Journal, für tägliche To-do-Listen und eine monatliche Bewertung. Außerdem schreibt sie ein Dankbarkeitsbuch und ein Fünfjahrestagebuch. Und dann gibt es noch die digitalen Listen, ähnlich den Smartphone-Apps Trello oder Workflowy. „Damit behalte ich den Überblick darüber, welche Bücherstapel im Haus verteilt liegen und welche Online-Kurse ich noch machen will. Eine Online-Liste finde ich dafür bequemer, weil man sie leicht bearbeiten und zum Beispiel Internetlinks hinzufügen kann. Außerdem kann man sie schneller durchsuchen.“

Liste der Listen

Mit so vielen Notizbüchern, Apps und losen Notizzetteln – Marjolein van Braam hält tatsächlich ihr gesamtes Leben in Listen fest – ist es eine Herausforderung, die Übersicht zu behalten.

Denn wie erinnert man sich, was auf welcher Liste oder in welchem Notizbuch steht? „Ich suche schon mein ganzes Leben lang nach dem perfekten Listensystem“, gibt sie zu. „Bis heute habe ich das noch nicht gefunden. Also probiere ich immer neue Methoden aus. Inzwischen habe ich auch eine Metaliste, eine Liste meiner wichtigsten Arbeitslisten. So weiß ich in jedem Fall, wo ich bestimmte geschäftliche Informationen wiederfinden kann.“

Das Managen dieser Listen wird so allerdings zu einer eigenen Aufgabe. Lohnt es sich, so viel Zeit und Energie hineinzustecken? „Zweifellos. Listen sind für mich mehr als nur etwas zum Abhaken. Sie helfen mir, die Übersicht zu behalten und bewusster zu leben. Ich könnte wirklich nicht ohne meine Listen leben.“

Listen helfen beim Loslassen

„Das Gefühl von Kontrolle ist einer der wichtigsten Gründe, warum viele Menschen gerne Listen anlegen“, sagt Psychologe, Autor und Kolumnist René Diekstra. „Eine Liste schafft Ordnung im Chaos. Nicht nur in der Praxis, sondern auch im Kopf.“

Kleidung in die Reinigung bringen, einen Kunden anrufen, einen Termin bei Zahnarzt regeln … Wer grübelt nicht ab und zu darüber, was noch alles passieren muss? Immer wieder kreisen dieselben Gedanken im Kopf herum, was schließlich zu einem Gefühl von Stress führt. Das beste Heilmittel laut Diekstra: alle Aufgaben aufschreiben. Dann kann man sie loslassen. „Eine Liste ist die ultimative Gedächtnisstütze. Es beruhigt, dass man Dinge nicht vergisst. Drei oder vier Aufgaben im Arbeitsgedächtnis speichern, funktioniert vielleicht noch. Bei der fünften und sechsten Aufgabe wird es schon schwieriger. Unser Gehirn ist dafür einfach nicht gemacht.“

Listen schaffen Distanz

Aber der Nutzen einer Liste geht über eine simple Gedächtnisstütze hinaus. Erst wenn man eine Aktion aufgeschrieben hat, kann man ihr einen Wert zuschreiben. Diekstra: „Das menschliche Gehirn ist selbst nicht gut im Relativieren. Solange Aufgaben in unserem Kopf herumschwirren, scheinen sie alle gleich wichtig zu sein. Was hat Vorrang? Womit muss man anfangen? Keine Ahnung! Aber wenn man die Dinge auf Papier vor sich hat, kann man sie mit etwas Abstand betrachten. Dann denkt man: ‚Das muss wirklich noch heute geschehen‘, oder ‚So wichtig ist diese Sache auch wieder nicht‘. Eine To-do-Liste hilft also dabei, Ordnung herzustellen und gut überlegte Entscheidungen zu treffen. Anstatt man sich überrollt fühlt von allem, was noch zu tun ist, schafft man einen strukturierten Plan. Und dann ist das Erledigen der Aufgaben auch noch gut fürs Selbstvertrauen.“

Dopamin gibt den Kick

Auch der Psychologe und Stress-Experte Thijs Launspach ist ein Listen-Fan. „Wenn man sie richtig benutzt, machen sie das Leben ein gutes Stück übersichtlicher“, meint er. „In den vergangenen Jahrzehnten haben die Informationen, die wir täglich verarbeiten müssen, nur zugenommen. Das erzeugt enormen mentalen Druck, auch auf das Gedächtnis. Zum Glück bieten Listen eine praktische Lösung. Man verlagert damit buchstäblich einen Teil des Gedächtnisses nach außen und macht im Kopf Platz frei.“ Das Abarbeiten der Aufgaben auf einer To-do-Liste wirkt zudem befriedigend. Jeder kennt das wohlige Gefühl, wenn man etwas auf der Liste abhaken kann. Möglicherweise wird in solch einem Moment im Gehirn das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet. Jedenfalls wirkt das Abhaken auf das Belohnungsgefühl: ‚Gut, was ich heute geschafft habe‘. Etwas auf der Liste abhaken oder durchstreichen ist ein praktischer Beweis, was man erreicht hat.“

Manche Menschen lieben das Abhaken so sehr, dass sie extra Aufgaben auf ihre To-do-Liste schreiben, die sie ohnehin machen würden, wie Duschen zum Beispiel. Oder sogar Dinge, die sie schon erledigt haben. Obwohl sie wissen, dass sie sich damit selbst zum Narren halten, fühlt es sich so gut an, etwas durchzustreichen.

Übrigens sorgen laut Launspach To-do-Listen nicht nur für Glücksgefühle. Wenn viele unerledigte Aufgaben stehenbleiben, können sie sogar zusätzlichen Stress verursachen. „Der beste Ratschlag, den ich geben kann, ist, große Vorhaben in überschaubare Teilaufgaben zu zerlegen. Schreiben Sie also nicht ‚Urlaub organisieren’ auf ihre To-do-Liste, sondern unterteilen Sie so etwas Großes zum Beispiel in: Hotelsuche, Flug buchen und Ähnliches. Was auch wichtig ist: Formulieren Sie Aktionen, keine Ziele. Mit einem Text wie ‚1. Dezember Examen‘ kann das Gehirn nicht viel anfangen. Besser ist es, um es konkret und greifbar zu machen: ‚Seite 200 bis 250 lernen‘. Am besten mit einem Zeitplan, wann Sie das tun werden.“

Sich selbst kennenlernen

Abgesehen davon, dass Listen Halt bieten und uns helfen, unseren Alltag zu organisieren, können sie auch eine tiefere Bedeutung haben. Vor allem, wenn man sie benutzt, um zu reflektieren. Dies kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass man am Ende des Tages oder der Woche Revue passieren lässt, was man getan hat (und was nicht) und warum. Aber auch, indem man Listen erstellt von Dingen, die einem wichtig sind oder denen man mehr Zeit widmen möchte oder Ziele, die man noch erreichen will.

„Diese Art von Listen sorgt dafür, dass man sich selbst besser versteht, und wenn nötig das eigene Verhalten anpasst“, sagt René Diekstra. „Kurz gesagt, für die persönliche Entwicklung. Menschen, die sich damit strukturell beschäftigen, fühlen sich wohler in ihrer eigenen Haut, zeigen Forschungen. Sowohl geistig als auch körperlich.“

Thijs Launspach und Marjolein van Bram können das bestätigen. Beide verwenden Listen, um ihr Leben zu bewerten. „Jedes Jahr am 1. Januar ziehe ich Bilanz“, erzählt Launspach. „Ich schreibe dann zehn Dinge auf, die im vergangenen Jahr fantastisch gelaufen sind und zehn Dinge, die schief gingen. Auf dieser Grundlage erstelle ich eine Liste mit zehn Vorsätzen für das neue Jahr. Interessanterweise sind es meist Dinge, für die ich bis dahin in meinem Terminkalender keine Zeit eingeplant hatte. Was beim letzten Mal beispielsweise darauf stand? Meine Eltern über ihr Leben interviewen.“

Nicht mehr immer weiter hetzen

Van Bram beschloss vor einigen Jahren, mit Hilfe von Listen ihr gesamtes bisheriges Leben unter die Lupe zu nehmen. „30 Tage lang stellte ich mir jeden Tag eine Frage. Dafür habe ich dann auch eine Liste zum Ausfüllen entworfen. Die Themen waren ganz verschieden und reichten von meinen Lieblingskleidern und heimlichen Vorlieben bis hin zu Fragen wie: ‚Was waren die Wendepunkte in meinem Leben?’ oder ‚Was möchte ich öfter feiern?‘. Das war eine sehr schöne Möglichkeit, mich selbst besser kennenzulernen und neue Einsichten zu bekommen. So wurde ich mir zum Beispiel bewusst, dass ich dazu neige, immer weiter zu hetzen und nicht bei Erfolgen innezuhalten. Seitdem feiere ich erfolgreiche Dinge viel häufiger.“

Digital oder Papier?

Es gibt zahllose praktische (oft kostenpflichtige) Apps, in denen man sämtliche (To-do-)Listen organisieren kann. Todoist zum Beispiel. Oder man verwendet einfach Microsoft To Do oder Google Tasks. Der Vorteil dieser digitalen Hilfsmittel ist, dass man leicht alle Listen zusammen speichern und einfach bearbeiten kann. Dennoch hat laut René Diekstra auch die altmodische Methode mit Papier und Stift ihre Vorteile. „Für das Schreiben mit der Hand werden viel mehr Gehirnzellen aktiviert“, erklärt er. „Es sorgt dafür, dass das Geschriebene besser im Gehirn verankert wird. Außerdem kann man in einer App hundert Aufgaben notieren und sie danach alle ignorieren. Eine Papierliste, die auf dem Schreibtisch liegt, hat man immer vor Augen. Das erhöht die Chance, dass man die darauf notierten Aufgaben auch wirklich ausführt.“

Erledigte Aufgaben vergisst man schnell

Dinge, die noch geschehen müssen, haben normalerweise im Kopf Priorität. Aber was man gestern auf der To-do-Liste abgehakt hat? Daran erinnert man sich wahrscheinlich kaum noch. Dieses Phänomen hat einen wunderbaren Namen: der Zeigarnik-Effekt, benannt nach der litauischen Psychologin und Psychiaterin Bluma Zeigarnik (1901-1988). Diese Pionierin auf ihrem Gebiet entdeckte vor hundert Jahren, dass man sich an unerledigte Aufgaben besser erinnert als an Dinge, die schon von der To-do-Liste verschwunden sind. Sie stützte ihre Erkenntnisse auf Forschungen über Kellner in einem Restaurant. Bevor die Kellner die Gerichte serviert hatten, wussten sie genau, was welcher Gast bestellt hatte. Stand die Mahlzeit einmal auf dem Tisch, verschwand die Information schnell aus dem Gedächtnis und sie erinnerten sich nicht mehr, wer Suppe bestellt hatte und wer Rindersteak.

Selbsterkenntnis in 30 Fragen

Die sogenannte ‚Proust Questionnaire‘ ist ursprünglich eine britische Liste mit 30 Fragen, die durch den französischen Autor Marcel Proust beliebt wurde. Ende des 19. Jahrhunderts beantwortete er Fragen wie „Was ist für Sie Erfolg?“ Und „Wen bewundern Sie am meisten?“. Er beantwortete die Fragen im „Bekenntnisalbum“ seiner guten Freundin Antoinette Faure. Das Besprechen der Antworten war damals ein beliebtes Gesellschaftsspiel. In den letzten Jahrzehnten ist diese Liste vor allem durch das amerikanische Magazin „Vanity „Fair“ bekanntgeworden, das die Liste schon mehr als 20 Jahre für Interviews mit Prominenten verwendet.

So holen Sie mehr aus Ihrer To-do-Liste heraus

1. Begrenzen Sie die Anzahl der Listen, die Sie führen. Machen Sie höchstens zwei oder drei Hauptlisten, zum Beispiel eine für den Haushalt, eine für die Arbeit und eine für private Dinge.

2. Notieren Sie zunächst alles, was zu erledigen ist. Setzen Sie dann Prioritäten, von wichtig zu unwichtig.

3. Seien Sie konkret. Kritzeln Sie nicht nur „Bank“ auf einen Zettel, sondern schreiben Sie: „Vor 12.00 Uhr Herrn Peters von der Bank anrufen“.

4. Teilen Sie große Aufgaben in kleine Teilaufgaben auf, die Sie alle separat notieren.

5. Machen Sie es sich so einfach wie möglich indem Sie zum Beispiel schon die Telefonnummern der Personen aufschreiben, die Sie anrufen müssen.

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