Donnerstag, 11. Mai 2023

Darmflora: Schwankungen je nach Jahreszeit und Tageszeit



Die Zusammenstellung der Bakterien im Darm schwankt nicht nur durch Nahrung, sondern variiert je nach Tageszeit und Jahreszeit, fanden Wissenschaftler heraus.

 

Man könnte meinen, dass sich die Darmflora nur durch das, was man isst und trinkt, verändert, aber das scheint nicht so zu sein. Die Bakterien im Darm schwanken auch je nach Jahreszeit oder Tageszeit. Diese Schwankungen der Mikroorganismen in unserem Magen-Darm-Trakt sind viel größer als gedacht, und das hat allerlei überraschende Folgen. Das geht aus einer neuen Studie über tägliche und jahreszeitliche Schwankungen des Mikrobioms hervor, die auf einer Konferenz in Chicago im Rahmen der „Digestive Disease Week 2023“ vorgestellt wurde.

Nützliche Darmbakterien

Das Mikrobiom, also alle Bakterien, die im und auf dem Körper leben, macht etwa die Hälfte aller Zellen des Menschen aus. Und Veränderungen in diesem Mikrobiom können große Auswirkungen auf unsere Gesundheit oder zum Beispiel die Wirkung von Medikamenten haben. Darüber ist in den letzten Jahren immer mehr bekannt geworden. Die Bakterien im Darm können sich durch die Ernährung, aber auch durch Krankheiten, Stress oder Antibiotika verändern. Jetzt haben Forscher herausgefunden, dass sich die Darmflora auch auf natürliche Weise ändert und beispielsweise morgens anders ist als abends und im Sommer anders als im Winter.

Dynamisch und veränderlich

„Wenn wir Darmstudien an Menschen durchführen, die an Allergien oder Grippe erkrankt sind, sehen wir große Unterschiede im Aufbau der Darmflora im Sommer verglichen mit dem Winter“, sagt die Studienleiterin Carolina Dantas Machado von der University of California. „Wir müssen also möglicherweise unsere Vorstellung davon, wie die Jahreszeiten die Gesundheit unserer Darmflora beeinflussen, anpassen. Das Mikrobiom ist weitaus vielfältiger und dynamischer, als wir bisher dachten.“

20.000 Kotproben

Die Forscher nutzten Daten von rund 20.000 Kotproben, die zwischen 2013 und 2019 vom „American Gut Project“, der größten wissenschaftlichen Bevölkerungsstudie auf dem Gebiet des Darm-Mikrobioms weltweit gesammelt wurden. Dabei wurden der Zeitpunkt der Darmentleerung, das Datum und der Ort aufgezeichnet und ausgewertet. Es stellte sich bald heraus, dass fast 60 Prozent der Bakterienstämme (Gruppen verwandter Bakterien) einen ausgeprägten 24-Stunden-Zyklus haben. Darüber hinaus wurde ein noch stärkeres Muster in den jahreszeitlichen Schwankungen der Darmflora gefunden. Dabei wurde festgestellt, dass viele Bakteriengruppen jedes Jahr ungefähr dem gleichen Muster folgen.

Die Forschenden führen einige Beispiele an. So wurde festgestellt, dass die Anzahl der Organismen, die zu den Actinobakterien gehören, jeden Tag stark schwankt: Morgens gab es viel weniger von ihnen als abends. Und die Proteobakterien verschwanden jeden Winter weitgehend aus dem Magen-Darm-Trakt, um dann im Sommer wieder auf einen Spitzenwert anzusteigen. Nach Ansicht der Wissenschaftlerin Machado sind Ernährung und Schlafverhalten wahrscheinlich die wichtigsten Faktoren für die täglichen Schwankungen.

Viele mögliche Ursachen

„Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass das Darmmilieu radikal anders ist, wenn jemand schläft oder gerade sein Frühstück gegessen hat. Die Menge an Nährstoffen, Wasser und der pH-Wert im Verdauungstrakt sind in beiden Fällen sehr unterschiedlich“, erklärt der Gastroenterologe Amir Zarrinpar aus San Diego. „Die jahreszeitlichen Veränderungen sind schwieriger zu erklären. Wissenschaftler sind damit beschäftigt, die Daten nach Breitengraden und Klima zu ordnen, um festzustellen, ob die Menge des Tageslichts und die Temperaturunterschiede ebenfalls eine Rolle bei diesem faszinierenden bakteriellen Prozess spielen. Sie untersuchen auch die Pollenbelastung und die Luftfeuchtigkeit als mögliche Erklärung für die Schwankungen im Mikrobiom.“

Auswirkungen auf Forschungsergebnisse

Die Studienergebnisse sind nicht nur für Wissenschaftler wichtig, die sich mit der Darmflora befassen, sondern auch für Untersuchungen, die durch Veränderungen im Magen-Darm-Trakt beeinflusst werden können. So reagieren die Mikroorganismen im Darm vielleicht unterschiedlich auf Medikamente und verändern damit deren Wirkung. Es ist wichtig, bei zukünftigen Studien den Zeitpunkt der Kotproben bei der Datenerhebung zu berücksichtigen. Die Tageszeit, die Jahreszeit und sogar das Klima und der Breitengrad, in dem der Kot entstanden ist, können die Forschungsergebnisse in unerwarteter Weise beeinflussen, insbesondere bei kleineren Studien.

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