Samstag, 26. Juli 2025

Lichtverschmutzung: Wie Kunstlicht Gehirn, Schlaf und Stoffwechsel durcheinanderbringt

Lichtverschmutzung stört die innere Uhr und den Schlafrhythmus (Foto: pixabay.com)


Schlaf ist superwichtig für Körper und Seele. Gleichzeitig braucht es nicht viel, um die Nachtruhe zu stören. Selbst so etwas Kleines wie ein Laternenpfahl vor dem Fenster kann einen wach halten. Darüber hinaus hat diese Art von Lichtverschmutzung noch weitere Auswirkungen auf die Gesundheit.

 

In einem ausführlichen Interview mit „Brain Medicine“ erklärt der renommierte amerikanische Neurobiologe Randy J. Nelson, wie künstliches Licht in der Nacht unser Gehirn, das Immunsystem, den Stoffwechsel und sogar unsere Stimmung beeinflusst. „Die Störung des zirkadianen Rhythmus - also der Schlaf-wach-Rhythmus - ist eine moderne Gesundheitskrise“, argumentiert er.

Ungewöhnlicher Weg zur Wissenschaft

Doch zunächst ein wenig mehr darüber, wer dieser Neurobiologe eigentlich ist. Nelsons Weg war nämlich alles andere als traditionell. Als Jugendlicher arbeitete er in einer Fabrik, in der Truthähne verarbeitet werden, und später als Autopsieassistent in Krankenhäusern in Cleveland. Seine akademische Laufbahn begann nach einem Job im Zoo von San Diego, wo sein Interesse an der Tierbiologie geweckt wurde. An der Universität UC Berkeley promovierte er schließlich zweimal: In Psychologie und Endokrinologie. Damit war er der erste Amerikaner, der zwei völlig unterschiedliche Doktortitel zur gleichen Zeit erwarb. Dieser ungewöhnliche Hintergrund führte zu einer breit gefächerten, integrativen Sichtweise auf die Hirnforschung, wobei er sich hauptsächlich darauf konzentriert, wie der Körper auf Störungen des natürlichen Rhythmus reagiert.

Licht in der Nacht: der stille Saboteur

Nelsons Forschungen zeigen, dass künstliches Licht in der Nacht weit mehr Probleme verursacht, als nur den Schlaf zu stören. Es beeinflusst Prozesse, die sich über Millionen von Jahren entwickelt haben, um sich mit dem Rhythmus von Tag und Nacht zu synchronisieren.

So kann eine unnötige Lichteinwirkung offenbar das Immunsystem unterdrücken oder überaktivieren, was zu Entzündungen im Gehirn führt. Störungen der biologischen Uhr werden auch mit Stoffwechselstörungen wie Fettleibigkeit in Verbindung gebracht. Und was vielleicht am alarmierendsten ist: Es wurde festgestellt, dass Lichtverschmutzung die Stimmung beeinträchtigt und zu Depressionen und Angstzuständen beitragen kann.

Vom Labor in die Krankenhauspraxis

Das Team von Nelson geht über die Grundlagenforschung hinaus. Er leitet derzeit klinische Studien, in denen untersucht wird, ob die Blockierung von störendem Licht Patienten auf Intensivstationen helfen kann, sich zu erholen, zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder einer Herzoperation. Diese Patienten liegen oft 24 Stunden am Tag in hell erleuchteten Räumen. Die Wissenschaftler erhoffen sich bessere Genesungsergebnisse, indem sie die biologische Uhr wieder ins Gleichgewicht bringen. Eine andere Studie befasst sich mit dem Gesundheitspersonal selbst: Könnten spezielle Blaulichtvisiere die Nachtschichten erträglicher machen? Für das Pflegepersonal könnte dies bedeuten, dass es besser schläft, aufmerksamer bleibt und weniger Stress erlebt.

Zeitpunkt als entscheidender Faktor in Experimenten

Ein wichtiger Punkt, auf den Nelson hinweist, ist die Bedeutung des Zeitpunkts der Experimente. „Das Ergebnis einer Forschungsfrage hängt zum Teil davon ab, wann man die Frage stellt“, sagt er. Dennoch wird der Zeitpunkt der Versuche in wissenschaftlichen Veröffentlichungen nur selten erwähnt. Das könnte erklären, warum manche Studien schwer zu reproduzieren sind. Er plädiert daher dafür, „Zeit als biologische Variable“ in der gesamten medizinischen und verhaltenswissenschaftlichen Forschung ernst zu nehmen.

Ständig umgeben von Licht

Die Ergebnisse des Wissenschaftlers werfen ein kritisches Licht auf etwas, worüber wir selten nachdenken: die ständige Anwesenheit von künstlichem Licht in unserem Leben. Seine Forschungen machen deutlich, dass unsere moderne, ständig beleuchtete Welt eine Kehrseite hat. Ob es sich nun um Krankenhauspatienten, Nachtarbeiter oder einfach um Menschen handelt, die vor dem Schlafengehen ihr Smartphone checken, die Botschaft ist deutlich: Vielleicht ist es an der Zeit, das Licht etwas öfter auszuschalten.

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