Dienstag, 27. Dezember 2022

Immer zu spät: Was das über Ihre Psyche sagt



Wir kommen wohl alle mal im Leben zu spät. Aber wer generell immer eine Viertelstunde zu spät erscheint, hat ein Problem. Außerdem führt es unweigerlich zu Verärgerung bei den Mitmenschen. Woher kommt diese chronische Unpünktlichkeit? Welche Persönlichkeiten fallen der Unpünktlichkeit eher zum Opfer? Und was tut man dagegen?

 

Mit großer Wahrscheinlichkeit zählen auch Sie zu denen, die man heutzutage als zeitarm bezeichnen kann. Immer mehr Dinge sollen in immer weniger Zeit Platz finden. Pünktlich zu sein, ist darum oft eine Herausforderung. Man hat den Kopf voll, der Terminkalender platzt aus allen Nähten, wir rennen von der Kinderbetreuung zum Job, zum Supermarkt, ganz zu schweigen von den täglichen Verkehrsstaus. Immer in Bewegung, immer gerade zu spät. Die niederländische Journalistin Vera Spaans hat ein Buch darüber geschrieben. In „Te laat“ (Zu spät) erforscht sie ihren eigenen unbekümmerten Umgang mit der Zeit, erörtert die psychologischen Motive unverbesserlicher Zuspätkommer und zeigt, wie kulturelle Unterschiede den Umgang mit der Zeit beeinflussen.

Was ist der Grund für die Unpünktlichkeit?

Seltsamerweise kommen Menschen, die im Grunde ein ruhiges Leben führen, auch oft zu spät, stellte die Autorin fest. Möglicherweise hat es mit mangelnder Selbstdisziplin und Willenskraft zu tun, aber auch mit einer genussvollen, unbekümmerten Lebensweise: vor allem nicht stressen lassen! Vielleicht liegt es an der Erziehung. Wenn Pünktlichkeit in der Familie, in der man aufgewachsen ist, kein Thema war, ist es logisch, dass die sozialen Regeln ein wenig lockerer ausgelegt werden. Wer unsicher ist und es schrecklich findet, alleine auf andere zu warten, kommt oft auch absichtlich ein wenig zu spät zu Partys und Verabredungen.

Deadline-Surfer oder Rebell?

Um mit Zuspätkommern besser umgehen zu können, ist es hilfreich zu wissen, was die möglichen Ursachen sind. Die amerikanische Psychologin Linda Sapadin hat in ihren Forschungen vier Typen von Zuspätkommern beschrieben. Zu allererst gibt es den Perfektionisten, der sich zu sehr auf Details konzentriert. Alles muss perfekt sein, bevor er oder sie aus dem Haus geht. Oder haben Sie es mit einem Deadline-Surfer zu tun, der den Adrenalinkick einfach braucht und ständig ein paar Minuten zu spät zu einem Termin eilt? Der Rebell hingegen zweifelt fortwährend an seinen Vorgesetzten und verspätet sich bewusst immer aus Protest. Schließlich gibt es noch den Träumer, der manchmal in einer anderen Realität lebt und die Zeit, die ihm oder ihr zur Verfügung steht, chronisch überschätzt.

Vor allem der letzte Typ ist interessant, denn damit landen wir im sonderbaren Universum der Zeitwahrnehmung. Die Physik lehrt uns, dass die Zeit nicht linear, sondern eher fließend ist. Ein schwer zu ergründendes Konzept, egal wie oft man sich „Interstellar“ anschaut, den brillanten Science-Fiction-Film, in dem ein paar Sekunden Verspätung schreckliche Folgen für das Leben anderer Menschen haben. Was von vielen allerdings sehr deutlich empfunden wird, ist das Gefühl, dass eine langweilige Konferenz scheinbar zehnmal länger dauert als ein interessantes Gespräch von gleicher Dauer. Der französische Philosoph Henri Bergson schrieb zu Beginn des letzten Jahrhunderts mehrere Werke über die Zeiterfahrung. Er war der Meinung, dass Zeit nicht einfach messbar ist, sondern immer mit den eigenen Erfahrungen zusammenhängt. In Spaans Buch wird diese Sichtweise ausführlich als „Zeitoptimismus“ vorgestellt: das Konzept, dass der Verlauf von Zeit nicht von jedem gleich erlebt wird.

Zeit erlebt jeder unterschiedlich

Wissenschaftliche Untersuchungen der amerikanischen Kardiologen Meyer Friedman und Ray Rosenman zeigen, dass es tatsächlich zwei verschiedene Persönlichkeitstypen gibt, was die Zeiterfahrung angeht. Der gut organisierte, wettbewerbsorientierte und ungeduldige Typ A kann Zeit genau einschätzen, während der kreativere, sozialere Typ B eben viel lässiger mit der Zeit umgeht. Wenn man diese beiden Typen blind schätzen lässt, wie lange eine Minute dauert, hält Typ A die Uhr im Durchschnitt nach 58 Sekunden an, während Typ B versucht, 77 Sekunden in dieselbe Minute zu packen. Das sind genau die Optimisten, die denken, dass sie in zehn Minuten noch schnell die Wäsche in die Maschine stecken, eine E-Mail beantworten, die Katze füttern und den Briefkasten leeren können, bevor sie sich zu ihrem Termin auf den Weg machen. Gehören Sie auch zu diesen Menschen? Dann wissen Sie, dass Menschen des Typs B in der Regel optimistischer und erfolgreicher in ihrem Beruf sind, weniger Stress empfinden und infolgedessen auch gesünder sind.

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