Sonntag, 18. Dezember 2022

Wir wollen immer mehr, sogar wenn uns das unglücklich macht



Mehr, mehr, mehr: Geld auf dem Bankkonto, schnellere Zeiten beim Sporttraining und mehr Anerkennung im Beruf. Wir streben nach allen möglichen Dingen, aber warum eigentlich? Eigentlich wollen wir doch einfach nur glücklich sein. Wissenschaftler gingen der Frage nach, warum wir ständig mehr von allem wollen.

 

Was uns glücklich macht, hängt von unseren Erwartungen ab. Und die ändern sich ständig. Wir gewöhnen uns nämlich schnell an das, was wir haben und gehen dann auf die Suche nach Möglichkeiten, um noch glücklicher zu werden. Wir vergleichen uns auch gerne mit anderen oder schauen uns an, was wir gerne hätten, aber noch nicht haben. Sowohl Gewöhnung als auch ständiges Vergleichen können zu einem Teufelskreis von Wünschen und Sehnsüchten führen, der sich negativ auf unsere psychische Gesundheit und unser Lebensglück auswirkt.

Schneller lernen

Die Wissenschaftler untersuchten diese Mechanismen mithilfe einer Computersimulation, um herauszufinden, warum Menschen immer nach mehr streben und sich nicht mit dem zufrieden geben, was sie haben. Das Computermodel ahmte die Art und Weise nach, wie Menschen emotional auf Reize reagieren, zum Beispiel auf das Erreichen von Zielen. Und um besser zu verstehen, warum Menschen sich so fühlen, wie sie sich fühlen, fügten die Forschenden Messpunkte hinzu, die als Glücksbarometer verwendet werden konnten.

Das Computermodel arbeitet auf der Grundlage des „reinforcement learning“, bestärkendem Lernen, das eine Form des maschinellen Lernens darstellt. Damit wurden die Auswirkungen unterschiedlicher Gewöhnungs- und Vergleichsniveaus untersucht. Die Ergebnisse waren aufschlussreich: Wir werden zwar weniger glücklich von all den Vergleichen mit anderen und streben nach mehr, allerdings lernen wir dadurch schneller. Das Wissenschaftsteam der Princeton-Universität und des deutschen Max-Planck-Instituts hat mit dem Modell gezeigt, dass das menschliche Verlangen, immer mehr zu wollen, evolutionär sehr nützlich ist: Es bringt uns schneller voran.

Immer weitermachen

In seinem Artikel im Fachmagazon „PLOS Computational Biology“ beschreibt das Wissenschaftsteam, wie die Simulation funktioniert. Im Computermodell machen Menschen (oder in diesem Fall der Computer) immer weiter Dinge, die ihnen eine positive Belohnung bringen, und hören auf, Dingen zu tun, die keine oder eine negative Belohnung bringen. Zu den bekannten negativen Auswirkungen von Gewöhnung und Vergleich fügten die Wissenschaftler simulierte Gefühlsreaktionen hinzu. Sie fanden heraus, dass Menschen deutlich weniger glücklich sind, wenn sie sich an etwas Neues gewöhnt haben und wenn sie sehen, dass andere mehr von etwas haben, das sie selbst wollen.

Die Forschenden entdeckten, dass das Computermodell die Ziele schneller erreichte, wenn Gewöhnung und Vergleich in die Simulation einbezogen wurden. Das deutete darauf hin, dass diese emotionalen Reaktionen auch eine Rolle für die menschliche Lernfähigkeit spielen. Die Simulation zeigte auch weniger glückliche Gefühle, wenn es mehr Auswahlmöglichkeiten bei den erreichbaren Zielen gab, als wenn es nur wenige Möglichkeiten gab.

Unwiderstehliches Verlangen

Verhaltensforscher sind oft überrascht von den scheinbar widersprüchlichen Sehnsüchten von Menschen. Viele haben einen unwiderstehlichen Drang nach bestimmten Dingen, auch wenn sie wissen, dass dem nachzugeben nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Viele wollen zum Beispiel immer mehr Geld, weil sie die Idee haben, dass das ihr Leben vereinfacht und sie sich dadurch glücklicher fühlen. Zahlreiche Studien haben jedoch gezeigt, dass mehr Geld die Menschen nur selten tatsächlich glücklicher macht, es sei denn, sie sind wirklich arm. Schließlich braucht man ausreichend finanzielle Mittel, um eine Reihe von Grundbedürfnissen zu befriedigen, und Geldsorgen belasten das Glücklichsein. Die Forschenden kommen nun zu dem Schluss, dass der Grund, warum Menschen immer noch diesem Teufelskreis des Immer-mehr-Wollens zum Opfer fallen, darin liegt, dass sie letztendlich dadurch schneller lernen.

Lieber Zeit statt Geld

Es ist eigentlich wie bei anderen menschlichen Trieben am besten, dem Verlangen nicht nachzugeben. Sie haben persönlich wenig davon, schneller zu lernen, also gibt es keinen Grund, immer mehr von irgendetwas zu wollen. Behalten Sie im Hinterkopf, dass Sie ein größeres Auto, ein gut gefülltes Bankkonto oder ein noch luxuriöserer Urlaub nicht glücklicher macht. Was sehr wohl glücklicher macht, ist mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen.

Was macht nach Ansicht der Wissenschaft glücklich?

Laut einer seit 80 Jahren laufenden Harvard-Studie ist nur eine Sache wirklich wichtig für das persönliche Glück: gute Beziehungen. Menschen, die enge Beziehungen zu ihrem Partner, ihren Freunden und ihrer Familie haben, sind glücklicher. Das hat mehr Gewicht als Geld oder Karriere. Die Glücksforschung zeigt häufig, dass Erfahrungen und Erlebnisse wie Urlaub oder Familienbesuche Menschen glücklicher macht als materielle Dinge wie eine neue Küche oder ein großes Auto. Auch Zeit ist ein wichtiger Glücksfaktor: Die meisten möchten lieber mehr freie Zeit haben und weniger arbeiten.

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