Dienstag, 21. Februar 2023

Darum geben andere so oft ungefragt Ratschläge



Man hat kaum die Haustür hinter sich zugezogen, da erzählen einem Menschen mit guten Absichten, wie man sein Leben führen soll. Woher kommt der Drang, ungefragt Ratschläge zu erteilen?

 

Egal, ob Familie, Freunde, Kollegen oder Nachbarn: Fast immer glaubt jemand, einen besonders guten Ratschlag zu haben und es auf jeden Fall besser zu wissen. Und das gilt nicht nur für bestimmte Situationen, sondern für jede Lebenslage.

Eine Flut von Ratschlägen

„Sie sollten Ihrem Hund „Sitz“ beibringen, das ist viel praktischer.“

„Warum bringst du dein Kind nicht früher ins Bett? Und du kannst auch schon gut mit dem Stillen aufhören!“

„Lach doch mal öfter, das steht dir viel besser!“

„Essen Sie mal etwas weniger Mayonnaise, das hilft beim Abnehmen.“

 

Das ist nur eine kleine Auswahl der Flut an Ratschlägen, die jeden Tag ohne wirklichen Grund erteilt werden. Meistens ist es nicht schön, solche Tipps zu bekommen, ob sie nun gut gemeint sind oder nicht. Manchmal sind sie sogar unhöflich und verletzend. Woher kommt dieser Drang, immer Ratschläge zu erteilen?

Wer Ratschläge gibt, fühlt sich besser anderen gegenüber

Eine Studie der Singapore Management University zeigt, dass Menschen gerne Ratschläge geben, um ihr eigenes Ansehen zu verbessern. Nach Ansicht der Wissenschaftler ist der Ratschlag eine Art Aufschrei: „Ich weiß mehr über dieses Thema als du!“, wodurch sich der Ratgebende besser und wichtiger fühlt.

Zusatzeffekt: Der Berater erhält dadurch den ehrlichen Eindruck, dass er sich wirklich um die Probleme seiner Mitmenschen kümmert und deshalb ein guter Mensch ist. Ratschläge sind also für den Ratgebenden mit einem Schuss Selbstzufriedenheit verbunden. Dabei geht es hier um Ratschläge im Allgemeinen, nicht um die viel nervigere unaufgeforderte Variante. Wie ist es damit?

Wir helfen gerne anderen, auch Fremden

Der niederländische Sozialpsychologe Paul van Lange ist der Meinung, dass der Drang, unaufgefordert Ratschläge zu geben, drei Hauptursachen hat: „Erstens kann man sich dem Thema spieltheoretisch nähern. Jemand, der ungefragt Ratschläge erteilt, denkt, er würde schnelle Hilfe leisten. Man muss nur mal eben den Ratschlag erwähnen und schon kann man jemandem einen großen Dienst erweisen. Zumindest kann das der Eindruck sein.“ Das Gehirn führt also eine schnelle Kosten-Nutzen-Analyse durch, mit dem Ergebnis: Ratschlag geben. Und genau jetzt!

Aber psychologisch gesehen geht es um viel mehr. „Altruismus und vor allem Empathie sind ebenfalls wichtige Triebfedern“, erklärt Van Lange weiter. „Wir helfen einfach gerne anderen Menschen. Wenn ein kleiner Hinweis jemandem weiterhelfen kann, werden die meisten Menschen helfen. Sogar wenn es Fremde betrifft.“ Und sogar, wenn die Fremden um überhaupt nichts gebeten haben. Gute Absichten rundum also.

Sich selbst gut fühlen, wer will das nicht?

Der dritte Grund steht im Einklang mit der bereits erwähnten Studie aus Singapur: „Menschen geben auch gerne Ratschläge, um ihre eigene Kompetenz zu präsentieren. Für sich selbst und für andere.“ Sich selbst als kompetent ansehen? Das ist laut einigen Psychologen so wichtig, dass es ein elementares Bedürfnis ist.

Nehmen Sie diese drei Dinge nun zusammen und versetzen sich in die Lage des Ratgebers. Wenn man jemand anderem helfen, ihn mit wenig Aufwand glücklicher machen kann und sich selbst obendrein noch als Schlaumeier präsentiert, sind ungefragte Ratschläge im Handumdrehen verteilt. Auch wenn es sich für den Empfänger psychisch anfühlt, als ob er auf einen Legostein getreten ist.

Ratgeber verteidigen schnell ihre Ratschläge

Doch damit ist die Sache noch nicht erledigt. Die gefürchteten Laiencoaches hören oft nicht auf mit ihren Ratschlägen, selbst wenn Sie freundlich und sachlich antworten: „Nun, das sagen Sie jetzt so, aber nach den neuesten Forschungen scheint es, dass … “, oder „Mir wurde gesagt, dass … .“ Regelmäßig kommen sie dann mit noch mehr ungefragten Ratschlägen. Van Lange zufolge sind dann tieferliegende Ursachen der Grund.

„Was dann passiert, ist, dass Sie plötzlich den Sachverstand der Berater in Frage stellen, was sie als unangenehm empfinden. Die Ratgeber haben immer etwas auf eine bestimmte Weise getan oder gelernt, und das wird nun nicht anerkannt. Das tut weh.“ Und dann gehen sie oft in die Defensive und erläutern ihre Ratschläge noch mal ausführlich.

Männer lieben es, Ratschläge zu geben

Schwiegermütter sind bekannt für ihre ungefragten Einmischungen, aber es scheinen vor allem Männer zu sein, bei denen die Ratschläge aus jeder Hautpore tropfen. Van Lange bestätigt das, aber merkt dabei an, dass er keine wissenschaftlichen Untersuchungen dazu kennt. „In vielen Dingen, wie Management und Beziehungen, neigen Männer oft dazu, in den Ratgebermodus zu verfallen, während Frauen zuerst dazu tendieren verständnisvoll zuzuhören statt Ratschläge zu erteilen.“

Wie auch immer, unaufgeforderte Ratschläge sagen in der Regel etwas über den Absender aus, aber nicht immer über den Empfänger. Deshalb hier ein unaufgeforderter Rat übers Ratgeben: Tun Sie es nicht ungefragt. Man weiß nie, was jemand gerade durchmacht und wie der Kontext einer Situation ist. Es kann sogar von mangelndem Respekt zeugen, wenn man mit Tipps um sich wirft, als könne man die Situation eines Menschen besser einschätzen als dieser selbst. Können Sie dem Drang trotzdem nicht widerstehen, bitten Sie zuerst um Zustimmung für Ihre Ratschläge.

 

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