Samstag, 20. April 2024

Bremst Diabetesmedikament Multiple Sklerose?

Kann Metformin Multiple Sklerose bremsen? (Foto: pixabay.com)


Hilft das Diabetesmedikament Metformin, die Verschlechterung bei Patienten mit fortschreitender Multipler Sklerose zu verlangsamen? Das untersucht ein ehrgeiziges Forschungsprojekt in Belgien in den nächsten zwei Jahren in einer Studie mit 120 Patienten.

 

MACSiMiSe-BRAIN ist die erste klinische Studie in Europa, die die Wirkung von Metformin bei Multiple-Sklerose-Patienten untersucht. Eine Gruppe erhält zusätzlich zur normalen Behandlung Metformin, die andere ein Placebo. Bis 2027 hofft das Forschungsteam, die Wirkung des Medikaments nachweisen zu können.

Unheilbare Nervenkrankheit

In Deutschland leben mehr als 280.000 Patienten mit Multipler Sklerose, einer entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems und jährlich kommen 15.000 neue MS-Patienten hinzu. Bei der chronischen, unheilbaren Nervenerkrankung entzünden sich mehrere Regionen im Gehirn und im Rückenmark und schädigen die Nervenzellen. Infolgedessen funktioniert das zentrale Nervensystem nicht mehr richtig: Reize werden nicht mehr richtig weitergeleitet, was bei den Betroffenen zu Symptomen wie Müdigkeit, Sehstörungen, Verlust von Kraft oder Gefühl, Probleme beim Wasserlassen, Gleichgewichtsstörungen und Gedächtnisprobleme führt. Es gibt zwei Hauptverläufe bei MS: einen schubförmig remittierenden Verlauf (relapsing remitting MS) mit einzeln abgrenzbaren Schüben, die sich vollständig oder teilweise zurückbilden; bei der primär progredienten MS (progressiven MS) verschlimmert sich die Krankheit langsam, aber konstant.

Internationale Pionierarbeit

Vor allem gegen progressive MS gibt es kaum brauchbare Medikamente. Deshalb hat die Neurologin Professorin Dr. Barbara Willekens vom Universitair Neuroimmunologie Centrum Antwerpen (UNiCA) am UZA zusammen gemeinsam mit sechs flämischen Partnern 2021 das Projekt MACSiMiSE-BRAIN gestartet. „Als erste klinische Studie in Europa untersuchen wir die Wirkung von Metformin bei Patienten mit progressiver MS. Für MACSiMiSE-BRAIN haben wir uns mit dem UZ Gent, dem Universitäts-MS-Zentrum Pelt-Hasselt, dem Nationalen MS-Zentrum Melsbroek, dem AZ Sint-Jan Brugge und UAntwerpen zusammengeschlossen.“

Metformin wird seit langem zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt, aber es gibt Hinweise darauf, dass das Medikament auch bei progressiver MS gegen die Schädigungen des Gehirns und des Rückenmarks helfen könnte. Barbara Willekens: „Mehrere vorklinische Studien haben gezeigt, dass Metformin indirekt einen positiven Einfluss auf die Vorläufer von Gehirnzellen haben kann, die Myelin - eine isolierende Schicht rundum die Nervenzellen - bilden. In einer Studie an MS-Patienten mit Typ-2-Diabetes wurde eine Zusammenhang zwischen der Einnahme von Metformin und einem geringeren Risiko des Fortschreitens der MS-Symptome festgestellt. Außerdem ist das Medikament sicher und preiswert. Deshalb untersuchen wir jetzt die potenziellen Auswirkungen des Medikaments in einer gründlichen Studie mit MS-Patienten.“

Nervenbahnen besser schützen

Im Januar 2024 nahmen die ersten MS-Patienten an der Studie teil. „Wir streben 120 Teilnehmer mit fortschreitender MS an. Die Hälfte von ihnen erhält zusätzlich zur normalen Behandlung Metformin, die andere Hälfte ein Placebo, das heißt ähnliche Tabletten ohne Wirkstoff. Da Multiple Sklerose langsam fortschreiten kann, benötigen wir einen Zeitraum von zwei Jahren, um die Ergebnisse zwischen den Gruppen zu vergleichen.“

Alle Partner von MACSiMiSE-Brain wollen mit der Studie so viele Daten wie möglich sammeln, um neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie das Diabetes-Medikament genau wirkt. Barbara Willekens: „Bei Menschen mit MS ist die Myelinschicht - die Schutzhülle um die Nervenfasern - beschädigt. Dadurch sind die darunter liegenden Nervenfasern zusätzlichen Schäden ausgesetzt. Da die Reparatur des Myelins bei MS-Patienten nicht richtig abläuft, funktionieren die Nervenbahnen nicht mehr so gut. In unserer Studie hoffen wir nachzuweisen, dass Metformin dafür sorgt, dass die Gehirnzellen wieder besser Myelin aus Vorläuferzellen bilden. Das könnte die Nervenbahnen besser schützen und die Verschlechterung verlangsamen.“

Engmaschige Nachüberwachung

In der Studie werden 120 Patienten mit progressiver MS zwei Jahre lang engmaschig überwacht. Ein wichtiger Parameter in der Studie ist der Timed 25 Foot Walk Test, bei dem die Patienten 7,2 Meter hin und her gehen und diese Zeit gemessen wird. „Darüber hinaus führen wir klassische neurologische Tests durch und überwachen die Hand- und Denkfunktion. Mit MRT-Scans untersuchen wir das Gehirnvolumen und die Mikrostruktur des Gehirns, und wir testen eine Reihe von Merkmalen im Blut. Außerdem bitten wir die Patienten und ihre Behandelnden Fragebögen auszufüllen. Auf diese Weise führen wir eine Fülle von Daten zusammen, um die Entwicklung von MS besser zu verstehen. Sollte die Behandlung erfolgreich sein, hoffen wir, die Lebensqualität von Patienten mit progressiver MS deutlich zu verbessern.“ Die Studienergebnisse werden, wenn alles nach Plan verläuft, 2027 vorliegen.

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