Freitag, 5. April 2024

Ballaststoffe für Stadtmenschen immer schwieriger zu verdauen

Ballaststoffe sind für Stadtbewohner immer schwieriger zu verdauen (Foto: pixabay.com)


Ballaststoffe sind gesund, aber für Stadtbewohner immer schwieriger zu verdauen. Die dafür nötigen Darmbakterien gehen langsam verloren, wie israelische Wissenschaftler herausgefunden haben.

 

Für die Studie verglichen die Wissenschaftler die Gesamtheit Mikroben im Darm (das Mikrobiom) von Jägern und Sammlern mit der von Menschen, die Teil einer Agrar- oder Industriegesellschaft sind. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Science“ nachzulesen und zeigen, dass Mikroben, die beim Abbau von Ballaststoffen helfen, im Darm von Jägern und Sammlern sowie von Menschen, die in einer landwirtschaftlichen Gesellschaft leben, gut vertreten sind, während sie im Darm von Menschen in einer Industriegesellschaft geradezu rar sind.

Wie werden Ballaststoffe verdaut?

Ballaststoffe sind gesund, das weiß inzwischen jeder. Sie fördern eine gute Darmfunktion und damit auch die allgemeine Gesundheit. Sie machen lange satt, halten den Blutzuckerspiegel stabil und beugen Übergewicht vor. Aber Ballaststoffe zu verdauen ist nicht ganz einfach. Dafür braucht man spezialisierte Bakterien, die in der Lage sind, die Ballaststoffe aus Gemüse und Obst aufzuspalten. „Das ist keine leichte Aufgabe“, merkt der Wissenschaftler Edward Bayer an. „Nur sehr wenige Bakterien können das.“ Das liegt wiederum daran, dass Ballaststoffe nicht löslich sind. „Ballaststoffe im Darm sind wie Baumstämme in einem Schwimmbad: Sie werden nass, lösen sich aber nicht auf.“

Ruminococcus kann Ballaststoffe abbauen

Zum Glück gibt es die Ruminococcus-Bakterien, die Teil der Mikrobenpopulation im Darm sind und Ballaststoffe abbauen können. Das geschieht durch die Bildung von Zellulosomen. Diese binden sich an die Ballaststoffe und zerlegen sie in lösliche Bestandteile, die dann von den Ruminococcus-Bakterien, aber auch von anderen Bakterien in unserem Darm verdaut werden können. „Kurz gesagt: Zellulosomen verwandeln Ballaststoffe in Zucker, der eine ganze bakterielle Bevölkerung ernähren kann; eine tolle Leistung“, so Bayer. Es ist eine wichtige Aufgabe, denn durch die Produktion von Zellulosomen lösen Ruminococcus-Bakterien tatsächlich eine Art Kettenreaktion aus, die dazu führt, dass die im Darm lebenden Bakterien ernährt werden. Und so unterstützen sie eine gesunde und vielfältige Darmflora.

Bakterien, die Zellulosome produzieren, sind schon alt

Bakterien, die Zellulose produzieren, gibt es schon seit langem. „Ihre Vorfahren sind wichtige Mitglieder des Mikrobioms im Pansen von Kühen und Schafen“, erklärt Wissenschaftler Iitzhak Mizrahi. In diesem Pansen wird das Gras, das die Tiere fressen, von Mikroben verdaut, die Pflanzenballaststoffe abbauen können. Und die Forschenden vermuten sogar, dass wir die zelluloseabbauenden und zellulosomeproduzierenden Bakterien während der Domestizierung des Viehs erworben haben. „Das ist eine reale Möglichkeit“, sagt Mizrahi, der in diesem Zusammenhang auch darauf hinweist, dass die Bakterienstämme, die uns bei der Verdauung von Ballaststoffen helfen, denen von Kühen ähnlicher sind als denen, die man im Darm von mit uns verwandten Primaten findet.

Wichtige Bakteriengruppen nehmen ab

Unsere Vorfahren trugen diese Bakterien also schon im Körper, lange bevor wir das Licht der Welt erblickten. Das heißt aber nicht, dass die Bakterien immer vorhanden sein werden. Die Forschungen der israelischen Forschungsgruppe zeigen nämlich deutlich, dass dies nicht selbstverständlich ist. Ihre Studie zeigt, dass die Bakterien bei Jägern und Sammlern und Bauern tatsächlich gut vertreten sind, bei Menschen in einer Industriegesellschaft jedoch nur sehr wenig. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, was diese Menschen essen, schreiben die Forschenden in ihrer Studie.

So verzehren Jäger und Sammler sowie Menschen in einer Agrargesellschaft viel mehr Ballaststoffe als Menschen in einer Industriegesellschaft. „Unsere Vorfahren in Afrika vor 200.000 Jahren haben ihr Mittagessen nicht am Drive-in-Schalter geholt oder sich nach Hause liefern lassen“, erklärt Wissenschaftler William Martin. In westlichen, verstädterten Gesellschaften ist dies jedoch häufig der Fall. Das führt zu einer ganz anderen Ernährung, die oft meilenweit von der unverarbeiteten, ballaststoffreichen Nahrung entfernt ist, wie sie auf Bauernhöfen erzeugt wird. Und wenn eine Ernährung weniger Ballaststoffe enthält, gehen die Bakterien, die auf einer ballaststoffreichen Ernährung gedeihen, verloren, argumentieren die Forschenden. „Unsere Ergebnisse deuten auf den Rückgang dieser Bakterienart im menschlichen Darm hin, der wahrscheinlich durch die Umstellung auf einen westlicheren Lebensstil ausgelöst wurde“, so die Wissenschaftler.

Aber ist das nun schlimm? Die Forschenden sind dieser Frage nicht weiter nachgegangen, aber ihre Studie deutet darauf hin, dass sich das nachteilig auf den Stoffwechsel auswirken könnte. Das ist jedoch nicht unvermeidlich; selbst in industrialisierten Gesellschaften können die Menschen den Rückgang dieser traditionell wichtigen Bakterienarten sehr leicht aufhalten. Und zwar, indem sie mehr Ballaststoffe wie Vollkornprodukte, Obst und Gemüse essen.

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