Vor kurzem gab es Berichte, dass Omega-3-Präparate das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen sollen. Ärzte rieten ihren Patienten von der Einnahme ab. Das klingt alarmierend, sollte aber differenzierter betrachtet werden.
Menschen mit hohen Omega-3-Werten im Blut leiden laut der amerikanischen Framing Heart Studie seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 2021 ergab eine Metaanalyse, dass mehr als ein Gramm Omega-3-Nahrungsergänzungspräparate mariner Herkunft, wie Algenöl oder Fischölkapseln, zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Bei Menschen mit einer bestehenden oder drohenden Herzkrankheit kann die Einnahme von Omega-3-Kapseln demnach das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen. Kritisiert wurde, dass wichtige Daten wie der Omega-3-Index der Betroffenen teilweise nicht festgestellt wurde.
Was ist Vorhofflimmern?
Vorhofflimmern ist eine Herzrhythmusstörung, bei der die oberen Herzkammern (die Vorhöfe) unregelmäßig und oft viel zu schnell schlagen. Es ist weltweit die häufigste Herzrhythmusstörung, von der mehr als 37 Millionen Menschen betroffen sind (1). Manche Menschen bemerken kaum etwas davon, aber Vorhofflimmern erhöht das Risiko für Schlaganfälle, Herzinsuffizienz und andere schwerwiegende Komplikationen. Daher ist es verständlich, dass Ärzte auf alles achten, was dieses Risiko erhöhen könnte.
Was zeigen die Studien?
Wissenschaftler haben kürzlich einen umfassenden Übersichtsartikel veröffentlicht, in dem sie sowohl randomisierte Studien als auch Beobachtungsstudien analysiert haben. Die Ergebnisse schienen zunächst widersprüchlich, liefern aber bei näherer Betrachtung viele Aufschlüsse.
In acht großen Interventionsstudien (in denen den Teilnehmern Nahrungsergänzungsmittel verschrieben wurden), an denen insgesamt mehr als 83.000 Menschen teilnahmen, erhielten die Teilnehmer hohe Dosen an Omega-3-Nahrungsergänzungsmitteln. Es handelte sich um Präparate mit EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) in Dosen 840 bis zu 4000 mg pro Tag. Diese Studien zeigten, dass die Behandlung mit Omega-3-Fettsäuren das Risiko für Vorhofflimmern um durchschnittlich 24 Prozent erhöhte. Das klingt beunruhigend, aber es zeigt ein wichtiges Muster: Die Wirkung war dosisabhängig. Bei Mengen von etwa 1000 mg pro Tag stieg das Risiko um 12 Prozent, während Dosierungen zwischen 1800 und 4.000 mg pro Tag das Risiko um bis zu 51 Prozent erhöhten.
Darüber hinaus gab es siebzehn große Beobachtungsstudien (in denen Wissenschaftler nur untersuchten, was Menschen bereits aßen) mit fast 55.000 Teilnehmern. In diesen Studien wurden keine Nahrungsergänzungsmittel verabreicht, sondern die Forschenden untersuchten die Omega-3-Spiegel im Blut, die Menschen aufgrund ihrer Ernährung auf natürliche Weise hatten. Das Ergebnis war genau umgekehrt: Menschen mit höheren Omega-3-Spiegeln hatten sogar ein um 12 Prozent geringeres Risiko für Vorhofflimmern. Auch aus Ernährungsstudien, in denen Menschen ihren Fischkonsum angaben, ging hervor, dass eine höhere Aufnahme von Omega-3 über die Nahrung mit einem geringeren Risiko einhergeht. Das geringste Risiko für Vorhofflimmern wurde bei einer täglichen Aufnahme von etwa 630 bis 750 Milligramm Omega-3-Fettsäuren aus der Nahrung festgestellt.
Das wissenschaftliche Team von examine.com, das diese Ergebnisse unter die Lupe genommen hat, berichtet, dass die widersprüchlichen Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden sollten, da eine Reihe verschiedener methodischer Einschränkungen festgestellt wurden.
Wie lässt sich der Unterschied erklären?
Es klingt widersprüchlich, dass Omega-3-Fettsäuren aus Nahrungsergänzungsmitteln das Risiko zu erhöhen scheinen, während Omega-3-Fettsäuren aus der Nahrungs das Risiko senken. Ein Teil der Erklärung liegt in der Dosierung. Die meisten Menschen nehmen über ihre Ernährung weniger Omega-3-Fettsäuren zu sich, als in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind. Eine typische westliche Ernährung enthält durchschnittlich nur 100 Milligramm EPA und DHA pro Tag, während selbst die niedrigste Dosierung in den Studien bereits bei etwa 840 Milligramm lag. Die optimale Menge scheint bei etwa 600 bis 700 Milligramm pro Tag zu liegen.
Darüber hinaus spielt möglicherweise auch die Form der Omega-3-Fettsäuren eine Rolle. In klinischen Studien werden häufig pharmazeutische Präparate verwendet, beispielsweise in Form von Ethylestern. Omega-3-Fettsäuren aus der Nahrung hingegen liegen in einer natürlichen Matrix vor, als Bestandteil von Fisch oder Meeresfrüchten, und werden als Triglyceride zusammen mit anderen Nährstoffen wie Astaxanthin aufgenommen. Dies kann die biologische Wirkung stark beeinflussen und zu Unterschieden führen.
Die Rolle des Vagusnervs
Eine interessante Hypothese, die in dem Übersichtsartikel diskutiert wird, betrifft den Vagusnerv. Dieser Nerv des vegetativen Nervensystems spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Herzschlags. Omega-3 scheint eine dosisabhängige Wirkung auf die Aktivität dieses Nervs zu haben, die auch als Vagustonus bezeichnet wird. Bei niedrigen Dosen kann dies vorteilhaft sein: Das Herz arbeitet ruhiger und reagiert besser auf Stress. Bei sehr hohen Dosen kann es jedoch zu einer übermäßigen Vagusaktivität kommen, was paradoxerweise das Risiko für Herzrhythmusstörungen erhöhen kann. Tierversuche haben gezeigt, dass eine leichte Stimulation des Vagusnervs vor Herzrhythmusstörungen schützt, während eine sehr starke Stimulation gerade Vorhofflimmern auslösen kann. Ob dieser Mechanismus die vollständige Erklärung ist, weiß man noch nicht sicher. Es bleibt vorerst eine Hypothese, aber sie passt zu der Beobachtung, dass niedrige Dosen von Omega-3-Fettsäuren vorteilhaft zu sein scheinen, während hohe Dosen Risiken mit sich bringen können.
Statistiken sind irreführend und vermitteln ein verzerrtes Bild
Bei der Interpretation dieser Studien ist noch ein weiterer wichtiger Aspekt zu beachten. Die meisten Studien, in denen ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern festgestellt wurde, waren ursprünglich darauf ausgelegt, Herzinfarkte und Schlaganfälle zu untersuchen, nicht Herzrhythmusstörungen. Das führt zu einem verzerrten Bild. Omega-3 schützt laut vielen großangelegten Studien nämlich vor tödlichen Herzproblemen, wodurch es wahrscheinlich ist, dass Menschen länger leben (1, 2, 3, 4, 5). Da sie länger leben, haben sie mehr Zeit, Vorhofflimmern zu entwickeln. Vergleichen Sie es mit Autos: Ältere Autos rosten häufiger, nicht weil sie schlechter sind, sondern einfach weil sie länger im Gebrauch sind. So kann es den Anschein haben, als würde Omega-3 Vorhofflimmern verursachen, während es in Wirklichkeit daran liegt, dass Menschen dank Omega-3-Fettsäuren länger leben. Dieser statistische Effekt macht es schwierig zu bestimmen, ob Omega-3 wirklich Vorhofflimmern verursacht oder ob es nur so scheint. Studien überschätzen daher möglicherweise das Risiko. Es gab auch eine wissenschaftliche Studie, die sich speziell mit Herzrhythmusstörungen befasste und in der sich herausstellte, dass die Einnahme von Omega-3-Präparaten kein erhöhtes Risiko mit sich brachte (6). Auch bei Menschen, die bereits an Vorhofflimmern litten, stellte sich heraus, dass die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln kein zusätzliches Risiko darstellte.
Die Vorteile bleiben bestehen
Betrachtet man verschiedene aktuelle Metaanalysen, so scheint die Einnahme von Omega-3-Präparaten sogar sehr vorteilhaft zu sein. Omega-3 senkt das Risiko für Eingriffe an verschlossenen Blutgefäßen wie Aufdehnung mit/ohne Gefäßstütze (Stent), Herzinfarkt und Tod durch Herz-Kreislauf-Krankheiten (7, 8, 9). Andere Metaanalysen zeigen darüber hinaus, dass moderate Mengen an Omega-3-Fettsäuren unter anderem bei Migräne, kognitiven Funktionen, Muskelaufbau, Angstzuständen, Erholung nach sportlichen Aktivitäten, Schmerzen bei Arthrose und der allgemeinen Herzgesundheit von Vorteil sein können (10, 11, 12, 13, 14, 15).
Ausgewogenheit von Omega-Fettsäuren wichtig
Damit die Wirkung von ungesättigten Fettsäuren wie Omega-3 optimal ist, sollte die Ernährung nicht zu viele Omega-6-Fettsäuren enthalten. Omega-6-Fette stecken zum Beispiel in Sonnenblumen- oder Distelöl und in Fertigprodukten. Die Ausgewogenheit von Omega-3 und Omega-6 ist wichtig, weil beide im Körper mit demselben Enzym verstoffwechselt werden. Sind alle Enzyme mit Omega-6-Fetten belegt, kann der Körper kein Omega-3 mehr aufnehmen. Leider enthält unsere Ernährung gegenwärtig durchschnittlich 10- bis 20-mal mehr Omega-6-Fette als Omega-3-Fettsäuren. Ernährungsmediziner empfehlen aber ein Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 zwischen 1:1 und 5:1. Neben fettem Fisch wie Lachs, Hering, Makrele oder Sardelle kann man auch mit pflanzlichen Quellen wie Leinsamen, Leinöl, Walnüssen, Walnussöl, Hanf, Hanföl sowie Rapsöl die Aufnahme an Omega-3-Fettsäuren erhöhen.
Fazit
Es ist also offensichtlich, dass man Omega-3-Fettsäuren nicht direkt als „lebensgefährlich“ bezeichnen kann. Es kommt vor allem auf die Dosierung und die Form an. Omega-3-Fettsäuren aus der Nahrung, in Form von fettem Fisch wie Hering, Makrele, Sardinen oder Lachs, scheinen sicher und sogar schützend zu sein. Etwa zwei Portionen fetter Fisch pro Woche liefern etwa 600 bis 700 Milligramm EPA und DHA pro Tag, was eine optimale Menge zu sein scheint.
Wenn Sie täglich Omega-3-Fettsäuren als Nahrungsergänzung einnehmen, sollten Sie es nicht übertreiben. Dosierungen bis zu 1.000 Milligramm pro Tag scheinen für die meisten Menschen unbedenklich zu sein, aber extrem hohe Dosen von 2.000 Milligramm oder mehr erhöhen das Risiko für Vorhofflimmern erheblich. Wenn Sie bereits an Herzrhythmusstörungen leiden oder Herzmedikamente einnehmen, sollten Sie bei hohen Omega-3-Dosen besonders vorsichtig sein. In diesen Fällen ist es besser, Omega-3-Fette vor allem über die Nahrung aufzunehmen oder sich für ein niedrig dosiertes Nahrungsergänzungsmittel (bis zu 500 mg pro Tag) zu entscheiden. Im Zweifelsfall sollten Sie sich an Ärzte, Apotheker oder Ernährungsexperten wenden, die sich mit diesem Thema auskennen.
Bei wenig Fischkonsum kann Nahrungsergänzung sinnvoll sein
Wenn Sie gesund sind und regelmäßig eine Dosis von 500 bis 1.000 Milligramm Omega-3 pro Tag einnehmen, besteht vorerst kein Grund zur Panik. Omega-3 hat nachweislich positive Auswirkungen auf die Gesundheit, wie zum Beispiel ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine bessere Gehirnfunktion. Darüber hinaus ist ein Mangel an Omega-3 auch schädlich (16, 17, 18). Omega-3-Fette sind Bausteine für die Zellmembranen und halten diese Zellumhüllung geschmeidig. Zudem stärken sie das Immunsystem und hemmen Entzündungen. Studien zeigen, dass die meisten Menschen im Westen zu wenig davon zu sich nehmen (19, 20, 21). Eine moderate Nahrungsergänzung kann daher sinnvoll sein, insbesondere wenn Sie wenig oder gar keinen Fisch essen.
Kurz gesagt, wie bei so vielen Dingen in der Ernährung gilt auch hier: Die Dosis macht den Unterschied. Ein Überschuss an verschiedenen Nährstoffen kann schädlich sein. Wenn Sie zu viel Wasser trinken, kann es zu einer Elektrolytstörung kommen. Zu viel Eisen kann Leberschäden verursachen. Zu viel Vitamin A kann giftig sein. Es kommt auf die Balance an, und Omega-3-Fettsäuren sind da keine Ausnahme.

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